Bioprinting von lebenden 3D-Gewebestrukturen innerhalb von Sekunden

3D-Technologien wie die Stereolithografie oder extrusionsbasierte Verfahren haben die Herstellung von komplexen Gewebestrukturen revolutioniert. Dieses Bioprinting beruht auf einem additiven Schicht-auf-Schicht-3D-Druck und dem Zusammenbau sich wiederholender Baublöcke. Diese bestehen in der Regel aus zellbeladenen Hydrogelfasern oder Hydrogel-Volumenelementen (sog. Voxels) einzelner Zellen oder zellulärer Zusammenschlüsse.
Die Skalierbarkeit dieser Technologien wird aber sehr durch die Druckgeschwindigkeit begrenzt, da die Dauer der Druckprozesse die Zellfunktionalität stark beeinflusst. Daher ist es für klinisch relevante Anwendungen notwendig, die Druckprozesse auf wenige Sekunden zu begrenzen, was bislang eben noch nicht möglich war.
Forscher an der Utrecht Universität in den Niederlanden und an der EPFL (L’Ecole polytechnique fédérale de Lausanne) haben nun ein Verfahren entwickelt, das auf einem Druckkonzept beruht, das an eine optische Tomografie erinnert. Hierbei wird sichtbares Laserlicht verwendet, um zellbeladene Gewebestrukturen mit hoher Lebensfähigkeit (>85 %) aus lichtempfindlichen Gelatin-Hydrogelen auf einmal zu erzeugen, also nicht Schicht-bei-Schicht.
Hier wird der mit Photopolymer gefüllte zylindrische Container dreidimensional mit Laserlicht bestrahlt, das zu einer räumlich selektiven Kreuzvernetzung führt. Um diese 3D-Bestrahlung zu erzeugen, wird der Container mit dem Gel in Rotation versetzt und synchron mit zweidimensionalen Lichtmustern des ganzen Objektes bestrahlt (z. B. verschiedene Rotationswinkelprojektionen eines gesamten Körpers), die über eine mathematische Integraltransformation errechnet werden, ähnlich der allseits bekannten Computertomografie, nur eben umgekehrt. Obwohl jedes einzelne Lichtmuster den gesamten Bauplan beinhaltet, reicht eine einzige Projektion nicht zu einer kompletten 3D-Vernetzung des Photopolymers aus. Anschließend führen die Forscher Endothelzellen (Zellen an der Innenseite eines Blutgefäßes) ein, um das Gewebe mit Blutgefäßen zu versorgen.
Somit können völlig freie Formen erzeugt werden, die mit konventionellem Druck sehr schwierig bis gar nicht herzustellen sind. Das können zum Beispiel komplex geformte Teile eines Oberschenkels sein oder auch ein Meniskus.
Dieses volumetrische Bioprinting erlaubt die Darstellung geometrisch komplexer Konstrukte im Zentimeterbereich mit einer noch nie dagewesenen Druckgeschwindigkeit, die im Bereich der Gewebezüchtung, der regenerativen Medizin oder der Soft-Robotik völlig neue Wege erschließt. Auch neue Medikamente können durch diese Art der Replizierbarkeit in kurzer Zeit getestet werden.

Autor: Dr. Ronald Hinz, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: Volumetric Bioprinting of Complex Living-Tissue Constructs within Seconds, Adv. Mater. 2019, 1904209; DOI: 10.1002/adma.201904209

Bild: Patricia Maine Degrave, pixabay.com