Deutsche wenig innovationsfreudig?
Umfragen offenbaren die skeptische Haltung der Deutschen gegenüber medizinischen Innovationen und der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn sind sie gegenüber digitalen Lösungen wie Biosensoren und OP-Roboter weniger aufgeschlossen.
Laut des STADA-Gesundheitsreports 2019 haben die Deutschen ein geringeres Vertrauen in technische und medizinische Innovationen als ihre europäischen Nachbarn. Für die Studie wurden jeweils 2.000 Bürger in Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Serbien, Spanien und Großbritannien befragt. Beispiel Gentest: 42 % der Deutschen würden einem Gentest vorbehaltlos zustimmen, um Gesundheitsrisiken besser abschätzen zu können und eine bessere Behandlung zu erhalten. Frauen und die Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen zeigten sich besonders skeptisch. In den restlichen befragten Ländern liegt der Wert bei über 60 %.
Die kritische Einstellung der Deutschen zieht sich durch die weiteren Fragen. So könnten sich 49 % der Bundesbürger vorstellen, eine Diagnose via Webcam zu erhalten. Nur in Belgien zeigten sich die Menschen in dieser Frage noch weniger aufgeschlossen. 29 % der Deutschen befürworten den Einsatz von Biosensoren zur Überwachung von Gesundheitsdaten. Der europäische Durchschnitt liegt hier bei 38 %. Jeder zweite Deutsche lehnt eine Operation durch einen Roboter kategorisch ab. Nur in Serbien sind es mehr.
Die Deutschen haben jedoch auch ein geringes Vertrauen in die Schulmedizin: 23 % vertrauen ihr völlig, 39 % vertrauen ihr im Großen und Ganzen. Russland, Polen und Serbien haben noch weniger Vertrauen. Hingegen liegen die Deutschen im Ländervergleich mit 49 % an der Spitze, wenn es um den Einsatz von Hausmitteln wie Hühnerbrühe oder Wärmflasche geht. Im europäischen Durchschnitt liegt dieser Wert bei 27 %. In Italien greifen sogar nur 14 % zuerst auf Hausmittel zurück.
Auch beim Thema Digitaliserung im Gesundheitswesen sind die Deutschen zurückhaltend. Laut der Ipsos-Studie „Digital Government Barometer 2018“, die im Auftrag der Sopra Steria Consulting durchgeführt wurde, meinen 49 % der 1.000 Befragten in Deutschland, dass das deutsche Gesundheitssystem bereits ausreichend digitalisiert sei. Lediglich 39 % sind der Ansicht, dass das Gesundheitswesen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Vorrang haben sollte. Immerhin rund jeder dritte Befragte befürwortet, dass Online-Services für den Krankheitsfall mit Priorität entwickelt und angeboten werden sollten. Ausbaufähig sind aus Sicht der Befragten Gesundheits-Apps, digitale Diagnosetools, Teleberatung, aber auch Patienten-Self-Service-Angebote, z. B. für die Terminvereinbarung über Online-Portale.
Um die Digitalisierung voranzutreiben soll ein vom Bundesgesundheitsministerium eingesetztes elfköpfiges Expertenteam in den nächsten drei Jahren dafür sorgen, dass digitale Innovationen schneller bei den Patienten ankommen. Ein Ziel ist, dass bis 2021 jeder Versicherte einen elektronischen Medikationsplan, den Notfalldatensatz und die elektronische Patientenakte hat. Hierfür sind einige Voraussetzungen nötig, wie z. B. eine flächendeckende Telematikinfrastruktur und ein spezielles Digitalisierungsgesetz, in dem u. a. Zugriffsrechte der Patienten zu regeln sind.
Autor: Thip Pruckner, Market Intelligence Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: Gesundheitsprofi 06/2019; MTD 7/2019

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