Die Alchemisten von morgen – Chemie-Start-ups in Deutschland
Das Geschäftsmodell kleiner Start-ups ist in der Regel von einer jungen Innovation getrieben, die oftmals im Digital- bzw. Technologiebereich angesiedelt ist. Es handelt sich hierbei um kleine, extrem flexible Unternehmen, verglichen mit weltweit agierenden Großunternehmen, die allein schon aufgrund ihrer Größe schwerfälliger sind. Der Vergleich eines Schnellbootes, das wie ein kleines Kriegsschiff schnell und wendig einen schwerfälligen Tanker umschifft und belauert, ist hier gar nicht mal so abwegig. Für den Tanker bleibt oftmals nur die finanzielle Übernahme des Schnellbootes, um sich dessen Innovation und Dienste zu sichern und um nicht selber angegriffen zu werden. Dabei können Start-ups etablierte Branchen von Grund auf verändern, indem sie vollkommen neue Geschäftsmodelle entwickeln und somit etablierte Strukturen und Geschäftsprozesse in Frage stellen. Start-ups sind letztendlich der Treibstoff zur Weiterentwicklung einer Volkswirtschaft.
Wer sind nun die neuen wendigen Alchemisten von morgen und wie ist es um Deutschlands Chemie-Start-ups bestellt? Schaut man sich den gesamten Branchenmix der Start-ups in Deutschland an, so ist es nicht verwunderlich, dass 2019 rund 30 Prozent aller Start-ups im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie beheimatet waren, gefolgt von der Ernährungs- und Nahrungsmittel/Konsumgüterbranche (10,6 Prozent) und dem Medizin- und Gesundheitswesen (8,5 Prozent). Start-ups im Bereich der Chemie und von Pharma/Biologie folgten mit 3,0 Prozent auf dem neunten Platz. Da ist also noch reichlich Luft nach oben vorhanden.
Das Forum Start-up Chemie listet aktuell 286 Chemie-Start-ups in Deutschland auf, die wirtschaftsaktiv sind. Der größte Teil der Chemie-Start-ups (34 Prozent) befindet sich noch in der FuE-Phase oder hat sich auf die Erbringung von FuE für Dritte spezialisiert und zählt damit zur Branche der FuE-Dienstleistungen. 19 Prozent der Chemie-Start-ups stellen Chemiewaren her und 13 Prozent bieten IT-Dienstleistungen mit Chemie-Bezug an. Aus Sicht der Technologie sind die meisten (52 Prozent) Chemie-Start-ups im Bereich der klassischen Technologien (Chemische Synthese) der organischen und anorganischen Chemie angesiedelt. Rund ein Drittel der Leistungsangebote der Chemie-Start-ups nutzt Technologieplattformen, knapp ein Drittel biotechnologische Verfahren. Gut ein Viertel setzt digitale Technologien ein.
Rund 550 Patente haben diese Chemie-Start-ups angemeldet, allerdings weisen nur 25 Prozent einer Chemie-Start-ups eine Patentanmeldung auf. Verwunderlich ist dies nicht, da viele der Chemie-Start-ups im Bereich von Dienstleistungen unterwegs sind. Im europäischen Vergleich haben sich die Gründungszahlen in der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie ungünstiger entwickelt. Während in Deutschland die Gründungsrate von 2008/10 bis 2014/16 zurückging, stieg sie in der Chemie- und Pharmaindustrie der meisten anderen europäischen Vergleichsländer an. Das stimmt einen etwas nachdenklich.
Autor: Dr. Volkhard Francke, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: www.vci.de, https://forum-startup-chemie.de, www.zew.de
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