Grüner Wasserstoff verändert die geopolitische Weltkarte

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Energieressourcen waren schon immer von großer weltpolitscher Bedeutung. Das sehen wir gerade jetzt wieder im Ukraine-Konflikt. Durch das Voranschreiten der Energietransformation werden sich in Zukunft die Abhängigkeiten von fossilen Energielieferketten verringern, was die Welt friedlicher machen könnte.

Neue Länder mit einem Überfluss an kostengünstigen erneuerbaren Energien wie Chile, Uruguay, Marokko, Südafrika oder Namibia rücken in den Vordergrund und werden zu Produzenten von grünem Wasserstoff. Am wirtschaftlichsten sind Länder, die zudem Platz für Solar- oder Windparks bieten, Zugang zu Wasser haben und Infrastrukturpotential für den Export in große Nachfragezentren.

Auch Australien und Neuseeland verfügen über Wasserstoffstrategien und erwägen Handelsrouten zu entwickeln. In ihrem Bericht „Geopolitics of the Energy Transformation: The Hydrogen Factor“ weist die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) auf die damit verbundenen geopolitischen Veränderungen hin. Es wird eine stärkere Regionalisierung der Energiebeziehungen geben, da die Kosten für erneuerbare Energien sinken, die Transportkosten für Wasserstoff hingegen hoch bleiben dürften.

Das Geschäft mit dem grünen Wasserstoff wird wettbewerbsfähiger und gleichzeitig weniger lukrativ sein als bei Öl und Gas. Zwar sehen auch die Exporteure fossiler Energien wie Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate im Wasserstoff eine Möglichkeit, ihre Volkswirtschaften zu diversifizieren, laut IRENA braucht es aber in diesen Ländern umfassendere wirtschaftliche Übergangsstrategien, da Wasserstoff die Verluste bei den Öl- und Gaseinnahmen nicht kompensieren wird.

Auch Russland hat eine Roadmap für die Wasserstoffentwicklung, hier will man aber das eigene Erdgas nutzen. Insgesamt werden jetzt noch bestehende Abhängigkeiten schwinden, gleichzeitig treten neue Technologien in den Vordergrund. Die 2020er Jahre könnten die Ära eines Wettlaufs um die Technologieführerschaft werden, da die Kosten mit zunehmendem Knowhow und dem Ausbau der erforderlichen Infrastruktur stark sinken werden.

Die eigentliche Nachfrage nach grünem Wasserstoff wird voraussichtlich erst ab Mitte der 2030er Jahre anziehen. IRENA schätzt, dass grüner Wasserstoff bis 2050 bis zu 12 % des weltweiten Energieverbrauchs decken könnte, wobei fast ein Drittel grenzüberschreitend gehandelt wird. Dies wäre ein höherer Anteil als bei Erdgas heute. Bis Mitte des Jahrhunderts wird das Marktpotenzial für Elektrolyseure auf 50-60 Mrd. USD und für Brennstoffzellen auf 21-25 Mrd. USD geschätzt. China, Europa und Japan haben derzeit einen Entwicklungsvorsprung, aber der Markt ist noch im Entstehen und relativ klein.

In diesem Zusammenhang ist allerdings auch eine Dominanz Chinas als Hersteller mehrerer kritischer Materialien zu erkennen, die in Elektrolyseuren Verwendung finden, darunter Nickel, Gadolinium, Zirkonium, Lanthan, Cer und Yttrium. Dennoch wird die Energietransformation zu neuen Energieräumen und -clustern führen, bei denen technologiegetriebene Prozesse an Relevanz gewinnen. Die energiepolitische Weltkarte könnte vielfältiger werden und weniger konfliktbeladen.

Quelle: SVP-Research