Geschlechtsspezifische Behandlungsstrategien

Auf dem Weg zu einer personalisierten Medizin könnte die Einbeziehung geschlechtsspezifischer Faktoren für die Entwicklung von Präventions- und Therapiestrategien künftig einen wichtigen Beitrag leisten. Wie die Immunabwehr auf Krankheitserreger reagiert, wird auch davon bestimmt, ob ein Mann oder eine Frau betroffen ist. Mitunter zeigen sich Unterschiede in der Schwere des Krankheitsverlaufs und der Sterblichkeit, wobei Männer hier die schlechteren Karten ziehen. So ist das Risiko, an einer Krebsart zu erkranken und daran zu sterben, bei Männern oft höher als bei Frauen. Gene und Hormone beeinflussen die Immunantwort.
Die Ausstattung mit zwei X-Chromosomen erweist sich immunologisch gesehen durchaus als vorteilhaft. Denn viele Gene, die das Immunsystem regulieren, liegen ausschließlich auf dem X-Chromosom. Auch das weibliche Hormon Östrogen trägt zur Erhöhung der Immunabwehr bei. Allerdings scheint dieser Effekt nur bis zu den Wechseljahren anzuhalten, weil dann der Östrogen-Spiegel sinkt. Testosteron hingegen supprimiert bestimmte Reaktionen der körpereigenen Abwehr. Ein hoher Testosteronspiegel kann das Risiko für Herzkrankheiten sogar erhöhen.
Die Nachteile einer aktiveren und stärkeren Immunabwehr lassen jedoch nicht lange nach sich suchen. Denn die Abwehr richtet sich auch häufiger gegen den eigenen Körper. So sind Frauen öfter von Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto Thyreoiditis, rheumatischen Erkrankungen, Multipler Sklerose oder Typ-1-Diabetes betroffen als Männer.
Es bedarf noch weiterer, umfassender Untersuchungen zur Frage, warum Frauen und Männer sich in diesen immunvermittelten Erkrankungen unterscheiden und welche biologischen Mechanismen dem zugrunde liegen. Um diesem Forschungsbedarf nachzukommen, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das Projekt „Geschlechtsspezifische Unterschiede in Immunantworten“ einer interdisziplinären Forschungsgruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) mit 4,5 Millionen Euro.
Das Forschungsteam will die Ursachen von geschlechtsspezifischen Einflüssen auf Immunkrankheiten, Infektionen und Tumoren untersuchen und geht unter anderem der Fragestellung nach, ob konservierte immunologische Abläufe für geschlechtsspezifische Unterschiede verantwortlich sind und wie Geschlechtshormone und Gene des X-Chromosoms Geschlechtsunterschiede bei Immunantworten beeinflussen.
Die Erkenntnisse aus dieser Studie können dazu beitragen, zukünftig „viel differenzierter als bisher auf die individuellen immunologischen Vorgänge zu reagieren. Die systematische Einbeziehung geschlechtsspezifischer Faktoren könnte künftig einen wichtigen Beitrag für neue Behandlungsstrategien von Infektionen und immunvermittelten Erkrankungen leisten“, so Prof. Dr. Marcus Altfeld, Institut für Immunologie des UKE.
Autor: Thip Prukner, Market Intelligence Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: lifePR, 05.02.2021 / pharmazeutische-zeitung.de, 30.07.2020 / apotheken-umschau.de, 06.03.2020