Graue Energie

Mit dem Begriff „Graue Energie“ ist die Energiemenge gemeint, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes oder eines Gebäudes aufgewendet werden muss. Das bedeutet, dass in jedem Objekt Graue Energie steckt. Alte Gebäude haben häufig einen schlechten Ruf, weil sie einen hohen Bedarf an Betriebsenergie aufweisen und somit nicht energieeffizient sind.
Eine seriöse Bewertung der Ökobilanz von Gebäuden muss aber auch den Faktor Graue Energie berücksichtigen. Graue Energie stand lange Zeit nicht auf der Agenda der für das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) verantwortlichen Institutionen, sondern in erster Linie die Betriebsenergie.
Seit 2019 brachten verschiedene Umweltverbände und Interessengruppen diesen Aspekt immer intensiver ins Gespräch. Eine Kernfrage, die es z. B. bei einer Modernisierung zu klären gilt, ist, ob Herstellung und weitere Faktoren einer Wärmedämmung zur Erreichung eines gewissen U-Wertes, unterm Strich nicht mehr Energie benötigen, als sich damit nach dem Einbau im Gebäude einsparen lässt. Plakativer ausgedrückt: Styroporblöcke für die Fassadendämmung helfen Energie zu sparen, sie verbrauchten aber in der Herstellung viel Energie und das muss gegengerechnet werden. Legt man die vom ifeu-Institut ermittelten Daten zugrunde, so werden je nach Dämmstoffart insgesamt zwischen 7.000 und 18.000 kWh an „Grauer Energie“ benötigt.
Das entspricht umgerechnet ca. 700 bis 1.800 Litern Heizöl. Schätzungen gehen davon aus, dass bei einem typischen Neubau die „Graue Energie“ 50 Prozent des Energiebedarfs über den gesamten Lebenszyklus ausmacht. Zur Beurteilung des CO2-Fußabdrucks eines Gebäudes sind alle drei Phasen: Bau, Betrieb und Rückbau zu berücksichtigen. Unser Gebäudebestand steckt voller „Grauer Energie“.
Bevor ein altes Gebäude leichtfertig durch ein neues ersetzt wird, sollte daran gedacht werden, dass zur Herstellung von Stahl, Zement und Ziegeln sehr hohe Temperaturen benötigen werden und damit viel Energie. Auch Bauschutt wird nur zu einem gewissen Prozentanteil recycelt. Hierdurch geht der Energiegehalt der Bauteile verloren. Es gilt zu sensibilisieren, dass auch solche Aspekte in die Klimaschutzdiskussion einfließen müssen.
Autor: Doris Höflich, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: Enbausa, 23.09.2020