Auswirkungen der Wasserstoffentwicklungen auf den Maschinenbau

Im Juni 2020 hat die deutsche Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Mit Hilfe von grünem Wasserstoff soll die Energiewende weiter vorangetrieben werden und insbesondere energieintensive Industrien mit dessen Einsatz klimaneutral werden. Damit reiht sich Deutschland in zahlreiche, weltweit ähnlich politisch gesteuerte Wirtschaftsförderungsstrategien ein. Allein in Westeuropa wurden in den letzten zweieinhalb Jahren in neun weiteren EU-Ländern Wasserstoffstrategien ausgerufen.

Source: IEA, country sources
1 Great Britain’s „Net Zero Innovation Portfolio“ as a support program for hydrogen innovations, as of July 2022
2 Investment in green fuel development by the Danish government.
3 As of July 2021, based on the Renewable Energy Expansion Act (REEA)

Die angestrebte Klimaneutralität steht und fällt mit dem Einsatz des grünen Wasserstoffes, zu dessen Herstellung ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne benötigt wird. Dies führt zu zwei wesentlichen Aspekten, die zur Erreichung der angestrebten Ziele notwendig sind:

  1. Ausbau der Elektrolysekapazitäten, um genügend Wasserstoff herzustellen.
  2. Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Elektrolyseanlagen mit grünem Strom zu versorgen.

Eine klimaneutrale Wasserstoffproduktion erfordert einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien

Das Ziel der Europäischen Union ist es, bis 2030 stufenweise Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt zu installieren und 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu erzeugen. Deutschland will bis dahin das heimische Elektrolyseziel von aktuell 5 Gigawatt auf 10 Gigawatt verdoppeln und lässt sich dies 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf der benötigten Wasserstofftechnologien und zusätzliche 2 Milliarden Euro für internationale Partnerschaften kosten. Aktuelle partnerschaftliche Projekte laufen dazu in Afrika, im Mittleren Osten und in Südamerika.

Mittel- und langfristig ist die Erreichung dieser Ziele nicht über einen rein innerdeutschen Energieausbau und neue Elektrolyseanlagen abdeckbar. Daher wird einerseits übergangsmäßig blauer Wasserstoff (das beim blauen Wasserstoff entstehende CO2 wird bei der Herstellung abgefangen und unterirdisch eingelagert, auch bekannt als Carbon Capture and Storage (CCS)), der – anders als grüner Wasserstoff – CO2 als Abfallprodukt entstehen lässt, als Alternative verwendet werden müssen. Andererseits muss Deutschland einen erheblichen Anteil des benötigten Wasserstoffes über Energiepartnerschaften mit Lieferanten und Ländern weltweit importieren.

Das Ziel der Europäischen Union ist es, bis 2030 stufenweise Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt zu installieren und 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu erzeugen. Deutschland will bis dahin das heimische Elektrolyseziel von aktuell 5 Gigawatt auf 10 Gigawatt verdoppeln und lässt sich dies 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf der benötigten Wasserstofftechnologien und zusätzliche 2 Milliarden Euro für internationale Partnerschaften kosten. Aktuelle partnerschaftliche Projekte laufen dazu in Afrika, im Mittleren Osten und in Südamerika.

Wie kommt aber dieser produzierte und importierte Wasserstoff zu den deutschen Abnehmern?

Diese Frage zeigt ein weiteres wichtiges Themenfeld, das in den nächsten Jahrzehnten Politik und Industrie beschäftigen wird: die Wasserstoffinfrastruktur. Der Transport des Wasserstoffes wird über verschiedene Wege erfolgen. Ein Transportmittel sind Pipelines, wobei man aktuell intensiv testet, bestehende Gasinfrastrukturen dafür zu verwenden. Aber auch die Umwandlungsinfrastruktur für Wasserstoff-Derivate, die einfacher transportiert werden können, sind in der Planung und Erprobung.

Der Transport aus fernen Ländern erfolgt über Schiffe, die insbesondere Ammoniak und Flüssigwasserstoff transportieren. Dazu werden entsprechende Verladeterminals und Verteilnetze benötigt, die bis in den Süden Deutschlands reichen. Aktuell bestehende und neu entstehende LNG-Terminals können nur unter bestimmten Voraussetzungen für die Wasserstoff-Verladung verwendet werden. Inwieweit die verwendeten Stähle bei den LNG-Terminals kompatibel für Wasserstoff sind, ist noch zu klären.

Weitere wesentliche Infrastrukturkomponenten sind die Wasserstofftankstelle und die Kapazitäten zur Speicherung von Wasserstoff. Im Jahr 2022 wurden global 130 Wasserstoff-Tankstellen neu in Betrieb genommen, davon 45 Stück bzw. 35 Prozent in Europa. Konkret geplant sind 315 weitere H2-Tankstellen. Weltweit sind 814 Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb, davon 254 in Europa, 455 in Asien und 105 im Rest der Welt. Deutschlands Anteil am Gesamtbestand liegt bei 105 H2-Tankstellen, was weltweit einen Anteil von 13 Prozent zum Stand Ende 2022 ausmacht.

Damit bleibt noch ein letztes wichtiges Themenfeld offen: die Nutzung des Wasserstoffes. Endverbraucher von Wasserstoff können aus allen Sektoren stammen, wobei der Grüne Wasserstoff für energieintensive Industrien, wie eingangs erwähnt, in der Zukunft einen wesentlichen Baustein der Wertschöpfungskette darstellt. Dazu zählen neben der chemischen Industrie, die Öl- und Gasindustrie mit ihren Raffinerien sowie die Stahl- und Papierindustrie. Aber auch der Mobilitätssektor, insbesondere H2-Lkw und -Busse, kann seinen Anteil zur Klimaneutralität leisten.

Quelle: Eurostat, Science Direct, April 2023

Wie kann der Maschinen- und Anlagenbau an dieser Entwicklung partizipieren?

Dem Maschinen- und Anlagenbau bieten sich grob definiert in drei Bereichen Einsatzmöglichkeiten für neue Produkte und Leistungen. Dabei kann der Maschinen- und Anlagenbau an verschiedenen Stellen der Wasserstoff-Wertschöpfung anknüpfen:

  1. Als Anbieter von neuen Produkten, wie z. B. Testmodulen für die regelmäßige Überprüfung kritischer Wasserstoffinfrastrukturen wie Pipelines
  2. Als Anbieter von innovativen Technologien (darunter fallen z. B. neue Brennstoffzellentechnologien, die höhere Wirkungsgrade erzielen können)
  3. Als Wasserstoffabnehmer, der z. B. Wasserstoff zur Energieversorgung der eigenen Produktionsanlagen einsetzt, oder innerhalb von einzelnen Produktionsprozessen

Im Sinne der Klimaneutralität ist Wasserstoff als Energieträger nicht nur für energieintensive Branchen ein wichtiger Meilenstein, sondern kann auch für Produktionsprozesse und Produktlinien in der verarbeitenden Industrie interessant sein. „Grüner“ Wasserstoff kann im Rahmen der Nachhaltigkeit Unternehmen helfen, ihre CO2-Bilanz zu verbessern, aufgrund seiner Speicherfähigkeit aber auch als Energiepuffer dienen. Um einen Eindruck zu vermitteln, welche Ansatzmöglichkeiten für den Maschinen- und Anlagenbau bestehen, werden exemplarisch vier Kategorien kurz ausgeführt:

1. Entwicklung von Brennstoffzellentechnologien:

Innerhalb von Fahrzeugen und stationären Anlagen werden Brennstoffzellen für den Wasserstoffeinsatz benötigt. Unternehmen können bei der Konstruktion und Fertigung von Brennstoffzellensystemen, deren Integration in Fahrzeugen und Anlagen sowie bei der Entwicklung entsprechender Steuerungs- und Regelungstechnologien unterstützen. Ausgewählte Projekte:

  • Hyundai: Entwicklung des Brennstoffzellen-Lkw Xcient, der seit 2022 in einem Pilotprojekt auch an deutsche Unternehmen ausgeliefert wird. Bis 2025 sollen 1.600 Einheiten dieses Lkw-Modells in Korea produziert werden.
  • Nikola Motors: Lkw-Hersteller Nikola Motors plant 2024 die Markteinführung seines ersten Brennstoffzellen-Lkw. Zusätzlich wird in den USA der Energieträger Wasserstoff selbst produziert, in Deutschland setzt man dazu auf Partnerschaften.
  • BMW: Die BMW Group startet im Forschungs- und Innovationszentrum in München die Produktion seines Wasserstoff-Fahrzeugs BMW iX5 Hydrogen in Kleinserie. Erste Demonstration ist für Frühjahr 2023 in einigen Regionen angedacht.

2. Herstellung von Wasserstoffanlagen:

Bei der Herstellung von Anlagen zur Wasserstoffproduktion und -speicherung, aber auch bei Anlagen zur Wasserstoffkompression und -speicherung können Maschinen- und Anlagenbauer mit entsprechenden Systemen und Prozessen helfen, die Produktion von Wasserstoff zu skalieren. Ausgewählte Projekte:

  • Nel ASA/HH2E: Anfang 2023 unterzeichnete Nel, norwegischer Hersteller von Elektrolyseanlagen, zusammen mit dem deutschen Energieunternehmen HH2E eine Absichtserklärung über die Lieferung von zwei 60 MW-Elektrolyseanlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Diese Anlagen würden nach Fertigstellung zu den größten ihrer Art in Europa gehören.
  • Linde Engineering/Yara: Bau einer 24 MW-PEM-Elektrolyseanlage für die Produktion von grünem Wasserstoff zusammen mit Yara.
  • Siemens Energy/European Energy: Bau einer 50 MW-PEM-Elektrolyseanlage zur Herstellung von eMethanol, das u. a. vom ersten mit eMethanol betriebene Containerschiff von Maersk verwendet wird. Betreiber ist das dänische Unternehmen European Energy.

3. Entwicklung von Wasserstofftechnologien und -produkten:

Die Entwicklung von Wasserstoff-Brennern, -Turbinen und -Antrieben, die in Kraftwerken, in industriellen Prozessen, aber auch in der Mobilität zum Einsatz kommen, kann durch den Maschinen- und Anlagenbau vorangetrieben werden. Dies kann von Systemen zur Wasserstoffnutzung innerhalb von Gebäudeheizungen bis hin zur Mobilität reichen. Ausgewählte Projekte:

  • Innio: Als Anbieter von Net-Zero Lösungen rüstet Innio seine eigenen Anlagen auf Wasserstoff um. Ab 2025 soll die gesamte Produktlinie der Motoren komplett mit Wasserstoff betrieben werden.
  • BMW/Saacke: Das BMW-Werk in Leipzig rüstete 2022 auf Wasserstoff-Brenner der Firma Saacke um. Der Einsatz ist in der Lackiertrocknerstraße, in der thermischen Nachverbrennung und im Kesselhaus geplant.
  • MTU Friedrichshafen: Entwicklung eines Wasserstoff-Dieselmotors für Schiffsanwendungen. Die ersten beiden Motoren sollen im Januar 2024 geliefert werden.
  • Deutsche Bahn/Fortescue Future Industries: Zusammenarbeit der Deutschen Bahn und des australischen Energieunternehmens Fortescue Future Industries bei der Entwicklung eines emissionsfreien Ammoniak-Wasserstoffmotor, der Lokomotiven antreiben soll.

4. Ausbau von Wasserstoffinfrastruktur:

Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, bei H2-Terminals und Verteilsystemen, aber auch im Rahmen von Wasserstofftankstellen können Maschinen- und Anlagenbauer unterstützen. Ausgewählte Projekte:

  • Linde Engineering: Bau einer Wasserstofftankstelle im Hamburger Hafen zur Versorgung für Schwerlastfahrzeuge, Gabelstapler und andere Terminalgeräte mit Wasserstoff.
  • Maximator Hydrogen: Als Hersteller von Wasserstofftankstellen partiziert das Unternehmen stark am zunehmenden Ausbau des H2-Tankstellennetzes. 2022 hat das Unternehmen vom schwedischen Unternehmen REH2 einen Auftrag zur Lieferung von 24 H2-Tankstellen erhalten.

Fazit: Die Wasserstofftechnologie bietet zahlreiche Potentiale sowohl für Hersteller wie auch für Abnehmer. Insgesamt hängt der Erfolg dieser Technologie an der schnellen Skalierbarkeit von grünem Wasserstoff und der starken Reduktion des aktuell noch hohen Wasserstoff-Preises. Aufgrund der weltweiten Aktivitäten rund um das Thema Wasserstoff ist aber mit einem enormen Schub für die kommende Jahre zu rechnen.

Silke Hänisch, Market Intelligence Senior Expert

Quellen: