Lieferketten – Unternehmen erkennen Herausforderungen und Potenzial

Das am 11. Juni vom Bundestag verabschiedete Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette zu sorgen.
Wie schätzen Unternehmen in Deutschland die Auswirkungen ein?
Die Studie vom F.A.Z.-Institut im Auftrag der HypoVereinsbank zum Thema „Lieferkettengesetz und soziale Nachhaltigkeit“ wurde am 5. Juli veröffentlicht. Im Rahmen der entsprechenden Onlinebefragung wurden im Frühjahr dieses Jahres 125 Topentscheider von deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größe konsultiert; die Mehrheit von ihnen aus Betrieben mit weniger als 1.000 Beschäftigten. Berücksichtigt wurden u.a. Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, aus der Chemie- und Pharmaindustrie sowie aus dem Handelssektor.
Der Studie zufolge haben sich etwa neun von zehn Firmen mit den Auswirkungen der eigenen Unternehmenstätigkeit auf Aspekte wie Menschenrechte, Arbeitnehmerbedingungen und Verbraucherschutz auseinandergesetzt – über die Hälfte bereits intensiv. Ein Großteil der Firmen investiert bereits in nachhaltige Projekte oder plant dies (69 Prozent). Mit den Auswirkungen des Lieferkettengesetzes haben sich insgesamt drei Viertel der Unternehmen in allen Umsatzklassen befasst. 17 Prozent der Unternehmen erwartet eine Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation. Ein Viertel der Unternehmen rechnet mit negativen Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem kleinere Betriebe mit einem Jahresumsatz von fünf bis 50 Millionen Euro (32 Prozent) und Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (30 Prozent) befürchten, dass ihre Konkurrenzfähigkeit unter dem Gesetz leiden wird. Vor allem die Möglichkeit, aus den Lieferketten der Geschäftspartner ausgeschlossen zu werden, bereitet den Unternehmen Sorge. Unklarheiten bestehen in der Reichweite der Beweisführung.
70 Prozent der befragten Entscheider befürchtet, dass die Überwachung der gesamten Lieferkette den Mittelstand – vor allem kleine Unternehmen – überfordern wird. Mehr als jedes zweite (52 Prozent) der Unternehmen bewertet die unternehmerische Sorgfaltspflicht für Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette als besonders schwierig. Bedenken diesbezüglich äußerten vor allem größere Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 250 Millionen Euro (fast zwei Drittel von ihnen). Auch die Berichterstattungspflicht (46 Prozent) und die Vertragsgestaltung mit Lieferanten (46 Prozent) zählen zu den größten Herausforderungen.
Lieferkettengesetzgebung – Wirtschaftslobbyismus in Aktion
Den Wirtschaftslobbyisten in Deutschland ist es laut „Initiative Lieferkettengesetz“ gelungen, das Gesetz an mehreren Stellen abzuschwächen. Das Europaparlament gehe mit seinem Anfang März verabschiedeten „Legislativbericht über menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltsplichten von Unternehmen“ für die EU-Kommission deutlich über das deutsche Gesetz hinaus. Eine Studie von den Organisationen Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe und der European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) zeige, dass auch auf europäischer Ebene dezidiert gegen ein wirksames Gesetz gekämpft wird, siehe https://lieferkettengesetz.de/aktuelles/ und https://corporatejustice.org/wp-content/uploads/2021/06/Fein-raus-Wie-die-Wirtschaftslobby-gegen-die-Haftbarkeit-fur-Menschenrechtsverletzungen-und-Umweltzerstorung-kampft.pdf

Autor: Cecilia Atristain, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: FAZ vom 05.07.2020 und HypoVereinsbank, Pressemeldung vom 05.07.2021