Neuartige Klebstoffe für Unterwasseranwendungen
Für Unterwasserklebstoffe gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, sei es im täglichen Leben, in marinen Umgebungen, aber auch im Medizinbereich. Bislang bestand die Herausforderung vor allem darin, die Wassermoleküle von den zu verklebenden Oberflächen fernzuhalten, um so eine gute Haftung zu gewährleisten.
Ein Wasserfilm verhindert nämlich einen engen chemischen Kontakt zwischen dem Klebstoff und der Oberfläche und reduziert somit die Triebkraft für den eigentlichen Klebevorgang. So haben etwa Cyanacrylate eine sehr gute Klebkraft an der Luft, verlieren diese aber, sobald sie in wässriger Umgebung eingesetzt werden. Epoxidharze und Polyurethane hingegen besitzen unter Wasser zwar eine starke Klebkraft, benötigen hierfür aber eine lange Aushärtungszeit.
In der Natur gibt es viele Organismen, wie z. B. Muscheln oder Seepocken, die einen sehr guten Mechanismus entwickelt haben, dieses Klebeproblem unter Wasser zu lösen. Die Ergebnisse aus der Chemie dieser sogenannten Katechole bieten daher eine sehr wertvolle Quelle zur Entwicklung von Klebstoffen für Unterwasseranwendungen.
Forscher an der Universität Tianjin in China haben hierfür hochverzweigte Polymere (sogenannte hyperbranched polymers HBP) als Ausgangsbasis genommen. Diese haben eine 3D-Struktur und verfügen über terminale hochdichte funktionale Gruppen. Diese HBP-Klebstoffe mit ihrem hydrophoben Rückgrat und ihren hydrophilen Katechol-Seitenketten führten zu einem großen Durchbruch. Man kann sich vorstellen, dass sich die hydrophoben Gruppen bei Wasserkontakt aggregieren und schnell sogenannte Koazervate ausbilden, die die Wassermoleküle auf der zu klebenden Oberfläche abstoßen. Diese hydrophobe Kontraktion der polymeren Kette geschieht in Wasser spontan, und immer mehr Katechol-Gruppen zeigen nach außen, erhöhen dadurch den Kontakt zum klebenden Substrat und verstärken so die Klebekraft unter Wasser.
Diese Strukturen können in der Medizin nun auch als schnell klebende Gefäßklemmen eingesetzt werden. Dafür werden lange Alkylamine in die hochverzweigte Architektur mit eingebaut. Von denen weiß man nämlich, dass sie sich direkt an die Membrane der Blutzellen haften, um so eine Koagulation und damit Blutstillung herbeizuführen.
Auch auf Oberflächen, die geringe Oberflächenenergien aufweisen wie z. B. PTFE und PE, zeigen die HBPs eine sehr starke Klebkraft. Sogar auf Silikon konnte diese starke Klebkraft bereits nachgewiesen werden.
Besonders im medizinischen Umfeld konnten diese Klebstoffe ihr Potential schon zeigen. Bei Knochenbrüchen werden in der Regel Schrauben eingesetzt, die aber selbst auch neue Frakturen und Nervenverletzungen hervorrufen können. Im Vergleich zu klinisch verwendetem Knochenzement zeigten die HBP-Klebstoffe nach 72 Stunden sogar immer noch eine Klebekraft von 140kPa: das ist um ein Vielfaches höher als Knochenzement.
Die Entwicklung dieser 3D-Architektur wird weiter voranschreiten und es bleibt abzuwarten, welche neuen Anwendungsgebiete sich mit diesen hochverzweigten Polymerklebstoffen, besonders auch im Medizinbereich, noch erschließen lassen.
Autor: Dr. Ronald Hinz, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: Water‐Triggered Hyperbranched Polymer Universal Adhesives: From Strong Underwater Adhesion to Rapid Sealing Hemostasis in Adv. Mater. 2019, 1905761

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