Status der Digitalisierung im Gesundheitswesen

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Der Bundesrechnungshof monierte Anfang 2019, dass nach wie vor zu wenige Anstrengungen unternommen werden, um die Digitalisierung des Gesundheitssystems voranzutreiben. Jens Spahn müsse sich nicht nur an Worten, sondern an Taten messen lassen, wurde gefordert.

Doch wo stehen wir heute, im Januar 2021 – mitten in der Coronakrise? Während die Schulen unfreiwillig zu einem Mehr an Digitalisierung gezwungen werden und man hier, wenn auch nur zaghafte, so doch immerhin Fortschritte sehen kann, scheint im Gesundheitswesen immer noch die Steinzeit vorherrschend zu sein: zu diesem Schluss kommt auch die Unternehmensberatung McKinsey in ihrem ersten E-Health-Monitor.
Aber nein, für die Anmeldung zu einem Termin im Corona-Impfzentrum benötigt der Ü80jährige Patient ein Smartphone, eine E-Mail-Adresse, einen Drucker und einen Internetzugang. Wohl dem, der diese Hürden erfolgreich gemeistert hat!

Doch die Ernüchterung folgt prompt: Bei der Registrierung im Impfzentrum gleichen Bundeswehrsoldaten ausgedruckte Listen mit den mitgebrachten Terminzettel und den darin enthaltenen alphanumerischen Codes ab – Dazu werden drei Personen benötigt: einer der liest, einer der Codes weiterschreit und einer der sucht.

Und es geht weiter: der Anamnesebogen fordert zur Niederschrift der Kontaktdaten auf. Eigentlich wurden diese doch schon bei der Onlineanmeldung eingeben? Sollten also vorhanden sein?! Doch die Daten werden dann von diesem Zettel tatsächlich händisch abgetippt. Soviel zum Status des deutschen digitalen Gesundheitssystems; erlebt vor einigen Tagen im Kreisimpfzentrum in Begleitung meiner Großmutter.
Gedacht war das irgendwie anders: Patienten wie auch Ärzte untereinander sollten profitieren, wenn sie Daten digital austauschen. Zeit und unnötige Doppeldiagnostik sollte gespart und die Therapie verbessert werden. Dafür wichtig: eine Möglichkeit des Austauschs von Befunden.

Die gute Nachricht im Januar 2021: Die elektronische Patientenakte startet endlich. Alle Krankenversicherten haben ab sofort ein Anrecht darauf, dass Befunde hier gespeichert werden.

Umsetzen wird diesen Anspruch jedoch nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung. Aktuell ist es nicht möglich, individuelle Zugriffsbeschränkungen zu verteilen, dazu müssten sich KBV und Kassen erst noch einigen. Das heißt: Der Augenarzt – sofern man ihn grundsätzlich zum Zugriff auf die Akte autorisiert – hat aktuell Zugriff auf alle Befunde, auch diejenigen des Gynäkologen und so weiter, ob man will oder nicht. Der Akzeptanz ist das allerdings wenig zuträglich.

An Akzeptanz mangelt es auch bei den Ärzten, wie eine Studie jüngst aufzeigte: Die Ärzte befürchten im aktuellen PraxisBarometer einen hohen Zusatzaufwand für die Einpflege der Daten. Doch nicht nur das Füllen, sondern auch das Finden und Selektieren relevanter Befunde wird als mühsam erachtet. Vielmehr wird befürchtet, dass die ePA zu einem Datengrab für eingescannte Arztbriefe verkommt, die mitnichten durchsuchbar sind und somit keinerlei Mehrwert liefern.

Aktuell rechnet daher lediglich ein Viertel der Praxen mit Verbesserungen für die Diagnose- und Indikationsqualität, nur ein Fünftel erwartet dies auch für die Behandlungsqualität.

Autor: Anja Fürbach, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quelle: https://www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de/…/pdf-ausgabe-2019-4.pdf, Dtsch Arztebl 2020; 117(51-52): A-2497