Umgang mit knappen Rohstoffen
Die Bauindustrie boomt – weltweit. Weil die Weltbevölkerung wächst und immer mehr Menschen in die Städte ziehen, nimmt auch die Bautätigkeit zu. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die für das Bauen benötigten Rohstoffe fast genauso schnell abnehmen. Insbesondere die Nachfrage nach Sand und Kies hat sich laut einer aktuellen Studie der UNO in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Der Mangel an Sand hat in den letzten Jahren zur Etablierung eines illegalen Handels mit dem Rohstoff und der Ausbildung einer regelrechten Sandmafia geführt. Der Ausweg aus der Sandkrise kann über verschiedene Wege erfolgen. Entweder wird mehr Sand aus neuen legalen Erschließungsgebieten gefördert, man verwendet Substitutionsprodukte oder man geht den Weg über das Recycling. Alle drei Möglichkeiten sind denkbar und teilweise gibt es Ansätze zur Umsetzung.
Neue Abbaugebiete werden beispielsweise in Grönland gesehen. Unglaublich, dass der Klimawandel auch Vorteile haben kann? Durch die anhaltende Erderwärmung tauen die Gletscher in der Region immer weiter ab. Was sich für die Umwelt als äußerst problematisch darstellt, hat jedoch auch positive Effekte wirtschaftlicher Natur. Denn das Wasser der schmelzenden Gletscher schwemmt zunehmend wertvolle Baustoffe an – Sand und Kies. Eine Studie der University of Colorado Boulder nimmt an, dass man rund 15 Prozent der Sedimente nutzen könnte. Dadurch ließen sich allein am Sermeq-Gletscher südwestlich von Grönland jährlich rund 33 Millionen Tonnen Sand zusätzlich abbauen. Ob der weitere Raubbau der Umwelt zuträglich ist, sei dahingestellt. Aber auch diese Vorkommen sind letztlich endlicher Natur und die Suche nach Alternativen unausweichlich. Alternative Baustoffe oder der Ersatz des Sandes, etwa durch Sägemehl, müssen angedacht werden.
Zunehmende Bedeutung sollte jedoch auch der Einsatz von Recycling-Material erhalten. Die Hochschule Luzern hat auf Basis von breit angelegten Tests nachgewiesen, dass Recyclingbeton aus weniger sorgfältig aussortiertem Abbruchmaterial, sogenanntem Mischgranulat, weitaus tragfähiger ist als bisher angenommen. Auch dieses könnte statt Kies und Sand dem Zement beigemischt werden. Die Tragfähigkeit von Platten, denen Mischgranulat beigemischt ist, ist zwar um etwa fünf Prozent geringer als von Platten aus nicht-recyceltem Material – der Unterschied fällt aber deutlich kleiner aus, als in den bisherigen Normen festgeschrieben. Die Ergebnisse der Tests werden einerseits die Anpassung der Schweizer Normen nach sich ziehen, doch auch hoffentlich die Weichen für andere europäische Ländern stellen, die das Material bisher mangels Tests überhaupt nicht im Einsatz haben.
Das Thema Recycling ist inzwischen auch bei Photovoltaikmodulen präsent. Die vor 20 Jahren verbauten Module erreichen inzwischen das Ende ihrer Lebenszeit, bilden jedoch einen wertvollen Pool für Rohstoffe wie Silizium, Blei, Zinn und Zink. Forscher des Fraunhofer-Instituts haben ein neues Verfahren entwickelt, um die einzelnen Rohstoffe von den mit ihnen verschmolzenen Kunststofffolien zu trennen. Der dafür gebaute Reaktor funktioniert wie eine Art Backofen, in dem unter hohem Druck und Wärme die Kunststoffe in Gase aufgelöst werden und nur die gewünschten reinen Rohstoffe zurückbleiben. Noch in diesem Jahr soll mit dem Bau einer Großanlage begonnen werden, die zunächst jährlich bis zu 200.000 Tonnen Solarschrott verarbeiten könnte.
Grundlagen für den zukünftigen Umgang mit knappen Rohstoffen gibt es zahlreiche. Hier wurden lediglich ein paar aktuelle Themen dargestellt. Solange jedoch die Maxime der Wirtschaftlichkeit gilt, werden viele Ansatzpunkte versanden.
Autor: Yvonne Jacoby, Market Intelligence Senior Expert, SVP Deutschland AG
Quellen: Spiegel: Auf der Jagd nach dem blauen Gold, 30.04.2019; Grönland könnte reich werden durch Sand, 07.05.2019; Baublatt.ch: Recyclingbeton mit Mischgranulat stabiler als angenommen, 09.05.2019; swr.de: Sand-Studie: Der Bauboom lässt ganze Strände verschwinden, 07.05.2019
