Elastokalorisches Heizen und Kühlen
Ein nachhaltiger Ansatz zur Energieeffizienz
Auf der Suche nach umweltfreundlichen Heiz- und Kühlsystemen arbeiten Universitäten und Forschungslabore an neuen, praktikablen Alternativen zu herkömmlichen Dampfkompressionssystemen. Dabei gewinnt die Nutzung kalorischer Effekte an Bedeutung.
In den meisten Industrieländern ist der Gebäudesektor der größte Energieverbraucher. In Europa macht er 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs aus. In Regionen mit kalten Wintern entfallen 75 Prozent des Energiebedarfs von Gebäuden auf die Raumheizung. Aufgrund der globalen Erwärmung, steigender Kaufkraft und verbesserter thermischer Komfortstandards in Innenräumen boomt auch die Nachfrage nach Kühlung weltweit. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass Klimaanlagen heute fast 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Gebäuden ausmachen. Bis 2050 könnte sich dieser Anteil verdreifachen.
Die weltweite Nachfrage an nachhaltigen und energieeffizienten Heiz- und Kühlsystemen steigt, natürlich auch im Hinblick auf die Vermeidung von CO2-Emissionen. Wärmepumpen sind umweltfreundlicher als viele herkömmliche Heizsysteme. Es handelt sich um effiziente Heizsysteme, die Umweltwärme (z. B. aus der Luft, dem Wasser oder der Erde) zur Beheizung von Gebäuden nutzen.
Sie arbeiten nach dem Prinzip des thermodynamischen Kreisprozesses und können sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen eingesetzt werden. Wärmepumpen funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie ein Kühlschrank, nur eben umgekehrt.
Thermodynamischer Kreislaufprozess
- Verdampfung: Das flüssige Kühlmittel nimmt Wärme aus der Umgebung auf und verdampft.
- Kompression: Der Dampf wird im Kompressor verdichtet, wodurch sich seine Temperatur erhöht.
- Kondensation: Der heiße Dampf wird durch einen Wärmetauscher geleitet, wo er seine Wärme an das Heizsystem abgibt und kondensiert.
- Expansion: Das Kühlmittel wird durch ein Expansionsventil geleitet, wodurch sein Druck und seine Temperatur sinken, und der Zyklus beginnt von neuem.
Diese Technologie ist derzeit eine der besten Möglichkeiten, Gebäude kostengünstig zu heizen und zu kühlen. Es wird aber an effizienteren Alternativen gearbeitet, zumal die in den Dampfkompressionswärmepumpen verwendeten Kühlmittel ein Umweltproblem darstellen. Sie sind entweder brennbar, explosiv, giftig oder tragen immer noch erheblich zum Treibhauseffekt bei.
Das elastokalorische Heiz- und Kühlverfahren beruht auf einem ähnlich einfachen Prinzip wie bei Dampfkompressionswärmepumpen. Es werden aber keine Kühlmittel benötigt. An ihre Stelle tritt ein Formgedächtnismaterial, meist eine Nickel-Titan-Legierung in Form von Drähten oder Blechen. Das elastokalorische Material wird gedehnt, wodurch sich seine innere Struktur verändert und es zu einer Erwärmung kommt. Diese Wärme wird an das umgebende Medium (z. B. Luft oder Wasser) abgegeben, wodurch sich das Medium erwärmt. Bei der anschließenden Entlastung sinkt die Temperatur des Materials, wodurch es Wärme aus dem umgebenden Medium aufnehmen kann.
Diese Wärme kann dann zur Kälteerzeugung genutzt werden. Die Wärmepumpe nutzt einen Kreislaufmechanismus, bei dem das elastokalorische Material wiederholt gedehnt und entspannt wird. Durch diese zyklischen Prozesse wird kontinuierlich Wärme aus einem kalten Reservoir aufgenommen und an ein warmes Reservoir abgegeben, analog zu einem herkömmlichen Kältemittelkreislauf in Wärmepumpen. Die erzeugte Wärme wird über einen Wärmetauscher an das Heizsystem abgegeben. Die entnommene Wärme wird über den gleichen Mechanismus an das Kühlmedium abgegeben. Die Temperaturdifferenz liegt bei ca. 20 Grad Celsius.
Warum sind elastokalorische Heiz- und Kühlsysteme das bessere Konzept?
- Die Energieeffizienz elastokalorischer Systeme ist ein zentraler Aspekt. Sie können hohe COP-Werte (Coefficient of Performance) erreichen, die um 20 bis 30 Prozent über denen herkömmlicher Kälte- und Wärmepumpensysteme liegen. Der elastokalorische Effekt ermöglicht die direkte Umwandlung von mechanischer in thermische Energie, ohne dass Zwischenmedien wie Gase oder Flüssigkeiten in herkömmlichen Systemen benötigt werden. Dadurch werden Energieverluste reduziert und der Wirkungsgrad erhöht.
- Elastokalorische Systeme benötigen keine Kühlmittel, wodurch das Risiko der Emission klimaschädlicher Gase entfällt. Es besteht keine Gefahr von Leckagen, die zu Gesundheits- oder Sicherheitsproblemen führen könnten.
- Die in elastokalorischen Systemen verwendeten Materialien, wie Nickel-Titan-Legierungen, werden in geringen Mengen benötigt und haben eine lange Lebensdauer. Sie sind gut recycelbar, was den ökologischen Fußabdruck weiter verringert.
- Elastokalorische Klimaanlagen könnten sowohl in Wohnhäusern als auch in gewerblichen Gebäuden eingesetzt werden. Dank der geringeren Größe und des geringeren Gewichts der elastokalorischen Module könnten kompaktere und leichtere Geräte entwickelt werden.
- Haushaltsgeräte könnten von dieser Technologie profitieren, indem sie eine konstante Kühlung ohne den Einsatz chemischer Kältemittel ermöglichen. Auch in der Industrie könnten elastokalorische Systeme zur Kühlung von Prozessen und Maschinen eingesetzt werden, was den Energieverbrauch senken und die Nachhaltigkeit erhöhen würde.
Das Weltwirtschaftsforum WEF hat das elastokalorische Heiz- und Kühlverfahren in die „TOP Ten Technologies 2024“ aufgenommen. Forschung und Entwicklung in diesem Bereich schreiten rasch voran, so dass sich die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen alle 22 Monate verdoppelt. Der Anstieg der Patentanmeldungen unterstreicht das wachsende kommerzielle Interesse an dieser Technologie.
Auf technologischer Seite wurden Materialien und Gerätedesign kontinuierlich verbessert; neue Prototypen zeigen, was elastokalorische Wärmepumpen leisten können. Ebenso haben Universitäten und Unternehmen mehrere funktionsfähige Prototypen entwickelt und dabei den Einsatz ergänzender Materialien und innovativer Produktionstechniken erprobt. Als Laie möchte man gern glauben, dass nun bald die Produktion beginnen kann.
Zuletzt Schlagzeilen gemacht hat das Forschungsprojekt „SMACool“, das an der Universität des Saarlandes entwickelt wird. Mit der neuen Wärmepumpen-Technik Elastokalorik wird es möglich, Gebäude nur über Lüftungsschlitze zu heizen und zu kühlen. Das Ziel des Projekts ist es, innerhalb von drei Jahren eine dezentrale Klimaanlage zu entwickeln, die einzelne Räume individuell heizen und kühlen kann.
Professor Paul Motzki, der das Konsortium des Projektes SMACool leitet erklärt: „Wir wollen Häuser mit unserer Technologie nicht mit einer zentralen Anlage beheizen und kühlen, sondern dezentral und individuell jeden einzelnen Raum. Hierfür entwickeln wir eine kompakte Einheit, die unsere Technologie enthält, und künftig zum Beispiel in neuen Häusern direkt mit dem ohnehin erforderlichen Lüftungssystem eingebaut werden kann.“
Evolutionäre Ideen wie diese können mit Blick auf den Klimawandel eine Alternative zu den herkömmlichen Kühl- und Heizmethoden werden, indem sie viel weniger Energie verbrauchen und das Klima und die Umwelt weniger belasten. Leider hat Viessmann seine Wärmepumpensparte verkauft, aber immerhin will sich jetzt Bosch durch Zukäufe auf dem Gebiet der Wärmepumpen und Klimageräte weltweit besser positionieren. Es geht nicht nur darum, in der Forschung führend zu sein, solche innovativen Systeme müssen auch in die Produktion gehen.
Doris Höflich, Market Intelligence Senior Expert
Quellen:
- Universität des Saarlandes, 02.04.2024
- Clean Technika, 22.07.2024
- Fraunhofer IPM
- World Economic Forum
- Bild-Quelle: Fraunhofer IPM: Elastocaloric Systems