KI und Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie

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Die Fertigungsindustrie befindet sich inmitten einer revolutionären Transformation, angetrieben durch fortschrittliche Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI). Parallel dazu wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit, umweltfreundlichere Praktiken zu integrieren. Die Kombination von KI und Nachhaltigkeit bietet immense Chancen, die Effizienz zu steigern, Ressourcen zu schonen und die Umweltbelastung zu reduzieren.

KI in der Fertigungsindustrie

KI ist in der Fertigung nicht neu, hat aber in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere ChatGPT hat dem Thema Generative KI einen massiven Schub gegeben und das Thema weltweit forciert. Laut einer Umfrage von McKinsey sagen 79 Prozent der Führungskräfte weltweit, dass sie damit vertraut sind, und 22 Prozent geben an, dass sie es regelmäßig bei ihrer Arbeit einsetzen.

Auch der IDC 2023 GenAI ARC Survey unterstreicht, dass generative KI-Lösungen in Fertigungsunternehmen evaluiert oder implementiert werden.

Rund 30 Prozent der befragten europäischen Unternehmen haben bereits in erheblichem Umfang in generative KI investiert,

wobei weitere Ausgaben für Schulungen, den Kauf von generativer KI-gestützter Software und Beratung geplant sind. Fast 20 Prozent führen erste Tests von Modellen und gezielte Proofs of Concept durch, haben aber noch keinen Ausgabenplan aufgestellt.

Laut dem Gartner AI Hype Cycle 2023 gehört zu den vielversprechendsten Anwendungen von KI in der Fertigungsindustrie die vorausschauende Wartung. Der weltweite Marktanteil für die vorausschauende Wartung wird je nach Quelle für 2023 zwischen 4,3 bis 7,8 Milliarden US-Dollar geschätzt, mit einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich 30 Prozent.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die intelligente Automatisierung. In diesem Bereich erwartet Gartner, dass der Einsatz von Technologien wie Hyperautomation, wozu auch KI-Lösungen gehören, bis 2025 um fast 50 Prozent steigen wird, was zeigt, wie bedeutend diese Innovationen für die Industrie sind.

Die wichtigsten KI-Anwendungen in der Fertigung in der Übersicht:

  1. Automatisierung und Robotik – In modernen Fabriken übernehmen kollaborative Roboter (Cobots) zunehmend Aufgaben, die zuvor von Menschen ausgeführt wurden. Diese Roboter sind nicht nur in der Lage, mit hoher Präzision und Geschwindigkeit zu arbeiten, sondern auch, durch den Einsatz von KI, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich an veränderte Produktionsbedingungen anzupassen. Die Automatisierung von Routinetätigkeiten durch Robotik und Prozessautomatisierungssoftware (RPA) verbessert die Effizienz und reduziert Fehler, was zu einer erheblichen Energieeinsparung führt. Ein besonderer Schwerpunkt der Robotik liegt in der Logistik. 2023 untersuchte Interact Analysis die prognostizierten Wachstumsraten für Roboterlieferungen in diesem Bereich und bezifferte die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für Cobots auf 46 Prozent zwischen 2023 bis 2027.
  2. Digitale Zwillinge – Der Einsatz digitaler Zwillinge erhöht die Agilität von Unternehmen. Mithilfe von Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz, des maschinellen Lernens, der Konnektivität des Internets der Dinge (IoT) und der Sensortechnologie wird ein exaktes Echtzeit-Replikat eines physischen Produkts oder Bauteils erstellt. Hersteller nutzen digitale Zwillinge, um die Produktivität zu steigern und den gesamten Produktlebenszyklus zu rationalisieren – von Design und Entwicklung bis hin zur Wartung.
  3. Vorausschauende Wartung – Predictive Maintenance (PdM) ist eine der bedeutendsten Anwendungen von KI in der Fertigungsindustrie. Durch die Analyse von Sensordaten und die Anwendung von Machine-Learning-Algorithmen können potenzielle Ausfälle von Maschinen frühzeitig erkannt und behoben werden. Dies reduziert ungeplante Stillstandszeiten und den Ressourcenverbrauch. Studien zeigen, dass PdM die Betriebszeit um 10 bis 20 Prozent erhöhen und die Lebensdauer von Maschinen bis zu 40 Prozent verlängern kann.
  4. Autonome Fertigung – Die autonome Fertigung nutzt Fortschritte in KI, Robotik und IoT-Konnektivität, um die betriebliche Flexibilität in Fabriken zu verbessern. Hersteller setzen intelligente, datengesteuerte Technologien ein, um die Produktqualität zu steigern und die Produktion zu optimieren.

Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie

Nachhaltigkeit ist in der Fertigung von entscheidender Bedeutung. Sie umfasst Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs, zur Minimierung von Abfall und zur Verringerung der CO2-Emissionen. Nachhaltige Praktiken tragen nicht nur zum Umweltschutz bei, sondern können auch die betriebliche Effizienz steigern und Kosten senken.

Integration von KI zur Förderung der Nachhaltigkeit

Die Kombination von KI und Nachhaltigkeit kann die Fertigungsindustrie tiefgreifend verändern. Hier sind einige der wichtigsten Anwendungsfälle:

  1. Optimierung des Energieverbrauchs – KI kann den Energieverbrauch durch die Analyse von Betriebsdaten und die Identifikation ineffizienter Prozesse optimieren. Machine-Learning-Modelle können Vorhersagen über den Energiebedarf treffen und die Energieverteilung in Echtzeit anpassen. Dies reduziert nicht nur den Energieverbrauch, sondern auch die Kosten und den CO2-Fußabdruck.
  2. Abfallreduktion – Durch den Einsatz von KI können Hersteller Produktionsprozesse optimieren und Abfall minimieren. Algorithmen können Daten aus der Produktion analysieren und Vorschläge zur Prozessverbesserung machen. Dies kann dazu beitragen, Materialverschwendung um bis zu 30 Prozent zu reduzieren.
  3. Nachhaltige Produktentwicklung – Generative KI kann bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte helfen. Sie ermöglicht es Ingenieuren, mehrere Design-Iterationen zu erstellen und zu optimieren, um die Ressourceneffizienz zu maximieren. Beispielsweise können leichtere und stärkere Materialien entwickelt werden, die weniger Energie für die Produktion benötigen und die Lebensdauer des Produkts verlängern. Untersuchungen zeigen, dass generative Designansätze Materialeinsparungen von bis zu 25 Prozent ermöglichen können.
  4. Optimierung der Lieferkette – KI kann die Lieferkette optimieren, indem sie die Bestandsverwaltung verbessert, optimale Routing-Strategien bestimmt und die Marktnachfrage vorhersagt. Dies reduziert die Transportkosten und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Studien zeigen, dass KI-gestützte Lieferkettenoptimierungen die Betriebskosten um 10 bis 15 Prozent senken und die CO2-Emissionen um bis zu 20 Prozent verringern können.
  5. Vorausschauende Wartung – KI-gestützte vorausschauende Wartung kann den Zustand von Maschinen kontinuierlich überwachen und vorhersehen, wann Wartungsarbeiten erforderlich sind. Dies reduziert ungeplante Ausfallzeiten und verlängert die Lebensdauer der Maschinen, was wiederum Ressourcen spart und die Umweltbelastung verringert. McKinsey schätzt, dass vorausschauende Wartung die Wartungskosten um 10 bis 40 Prozent reduzieren und die ungeplanten Ausfallzeiten um 50 Prozent verringern kann.

Herausforderungen und Lösungen

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Herausforderungen bei der Integration von KI in nachhaltige Praktiken:

Praxisbeispiele

Im Folgenden machen einige Beispiele aus der Praxis greifbarer, wie KI genutzt wird, um die Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie voranzutreiben.

Regionale Unterschiede von KI: Europa und Asien

Die Integration von KI zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie zeigt weltweit unterschiedliche Fortschritte und Herangehensweisen. Insbesondere zwischen Europa und Asien gibt es signifikante Unterschiede, die auf verschiedene wirtschaftliche, kulturelle und regulatorische Faktoren zurückzuführen sind.

Europa ist bekannt für seine strengen Umweltauflagen und regulatorischen Rahmenbedingungen, die die Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie stark beeinflussen. Die Europäische Union hat zahlreiche Initiativen und Richtlinien eingeführt, um die Industrie zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks zu bewegen. Dazu gehören der European Green Deal, der darauf abzielt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, und der Circular Economy Action Plan, der ressourceneffiziente und nachhaltige Produktionsmethoden fördert.

In Europa nutzen Hersteller KI verstärkt, um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Beispielsweise implementieren viele europäische Unternehmen vorausschauende Wartung und intelligente Energienutzungssysteme, um ihre Produktionsprozesse zu optimieren und den Energieverbrauch zu senken. Laut einer Studie der Europäischen Kommission könnten diese Technologien den Energieverbrauch in der Fertigungsindustrie um bis zu 25 Prozent reduzieren.

Neu in der Regulierungslandschaft ist das am 13. März 2024 vom Europäische Parlament formell verabschiedete EU-Gesetz über künstliche Intelligenz („EU AI Act“). Der EU AI Act hat weltweit Auswirkungen und löst regionale Diskussionen aus. Er stellt Anforderungen an Unternehmen, die KI in der EU entwickeln oder nutzen, und sieht strenge Strafen vor: bis zu 15 Millionen Euro oder 3 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes, und bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent für schwerwiegende Verstöße. Diese Regelungen betonen Transparenz und Schutz individueller Rechte und stellen asiatische Unternehmen vor Herausforderungen hinsichtlich Compliance und Wettbewerbsfähigkeit.

In Asien, insbesondere in Ländern wie China, Japan und Südkorea, ist die Fertigungsindustrie ein zentraler Bestandteil der Wirtschaft. Diese Länder investieren massiv in fortschrittliche Technologien, einschließlich KI, um ihre Produktionskapazitäten zu erweitern und wettbewerbsfähig zu bleiben. Während die Regulierungen zur Nachhaltigkeit in einigen asiatischen Ländern weniger streng sind als in Europa, gibt es dennoch bedeutende Initiativen zur Förderung nachhaltiger Praktiken.

China, zum Beispiel, hat in seinem Fünfjahresplan 2021-2025 klare Ziele zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zur Förderung grüner Technologien festgelegt. Chinesische Unternehmen nutzen KI zur Optimierung von Lieferketten, zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Minimierung von Abfall.

In Japan und Südkorea setzen Unternehmen ebenfalls verstärkt auf KI, um nachhaltigere Produktionsmethoden zu entwickeln. Japanische Hersteller investieren stark in Robotik und Automatisierung, um sowohl die Effizienz zu steigern als auch die Umweltbelastung zu reduzieren.

Fazit

Die Fertigungsindustrie erlebt eine transformative Phase, in der Künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielen. KI wird vermehrt genutzt, um Prozesse zu automatisieren, vorausschauende Wartung durchzuführen, digitale Zwillinge zu erstellen und autonome Fertigung zu ermöglichen. Dies führt zu Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, wodurch Unternehmen verstärkt auf umweltfreundliche Praktiken setzen.

KI wird verwendet, um den Energieverbrauch zu optimieren, Abfall zu reduzieren, nachhaltige Produkte zu entwickeln und die Lieferkette zu optimieren. Praxisbeispiele von Unternehmen wie Siemens, Mercedes-Benz und Nestlé verdeutlichen die vielfältigen Anwendungen von KI zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie.

Regionale Unterschiede zwischen Europa und Asien zeigen verschiedene Herangehensweisen an die Integration von KI und Nachhaltigkeit. Europa setzt auf strenge Umweltauflagen und regulatorische Rahmenbedingungen, während Länder wie China, Japan und Südkorea massiv in KI investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig nachhaltige Praktiken zu fördern.

Dennoch bieten diese regionalen Unterschiede wertvolle Lernmöglichkeiten und Kooperationspotenziale. Ein Austausch von Best Practices und Technologien zwischen den Regionen kann dazu beitragen, die Effektivität und Geschwindigkeit der nachhaltigen Transformation zu erhöhen. Europäische Unternehmen können von der Innovationskraft und dem technologischen Fortschritt in Asien profitieren, während asiatische Hersteller von den strengen Umweltstandards und dem Umweltbewusstsein in Europa lernen können.

In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, kann die Kombination von KI und nachhaltigen Praktiken der Schlüssel zu einer erfolgreichen und verantwortungsvollen Zukunft in der Fertigungsindustrie sein.

Silke Hänisch, Market Intelligence Senior Expert

Quellen: