Die wichtigsten Bedrohungen für die globale Pharmaindustrie

Inflation, Energieknappheit, geopolitische Krisen und Abhängigkeit von der Lieferkette, insbesondere von asiatischen APIs …

Im Conference Board C-Suite Outlook 2022 erwartet mehr als die Hälfte der CEOs weltweit (55 Prozent), dass der erhöhte Preisdruck bis Mitte 2023 oder darüber hinaus anhalten wird. Die Inflation hat sich zur zweitgrößten externen Bedrohung entwickelt. Die meisten Befragten, darunter 95 Prozent der CEOs des verarbeitenden Gewerbes, gaben an, dass sie aufgrund von Engpässen in der Lieferkette, Arbeitskräftemangel und schwankenden Energiepreisen derzeit einem Druck auf die Inputpreise (z. B. Rohstoffe und Löhne) ausgesetzt sind. Um dem zu begegnen, planen sie Ausgleichsmaßnahmen wie Kostensenkungen und die Weitergabe von Preiserhöhungen an Verbraucher und Endverbraucher, wo dies möglich ist.

Doch was tun, wenn es keine oder nur sehr begrenzte Möglichkeiten gibt, die Kosten an den Endverbraucher weiterzugeben, wie etwa in einem regulierten Umfeld wie der Pharmabranche?

Jüngste Preiserhöhungen:

Die deutsche Pharmaindustrie steht unter Druck

Seit 2010 begrenzt das Preismoratorium den Preisanstieg für Rx-Arzneimittel, die von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden müssen. Obwohl dies nur für ältere Medikamente, insbesondere Generika, gilt, ist ein großer Teil des deutschen Pharmamarktes von dieser Regelung betroffen. Und was die Industrie vorausgesagt hat, tritt nun ein: Deutsche Hersteller schließen ihr Geschäft oder verlagern die Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen in Billiglohnländer, was aufgrund der hohen Abhängigkeit von indischen oder chinesischen Wirkstofflieferanten zu unkontrollierbaren Engpässen führen kann.

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Healthcare Supply Chain Institute aus Heilbronn, die der VFA in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass die USA und Europa stark von asiatischen Wirkstoffherstellern abhängig sind.

So befinden sich beispielsweise 68 Prozent der Produktionsstätten für Wirkstoffe, die für Europa bestimmt sind, im kostengünstigeren Asien. In den USA liegt der Anteil bei 46 Prozent. Seit Anfang des Jahres ist Tamoxifen – eines der am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung von Brustkrebs – knapp geworden. Da etwa 85 Prozent des Marktes von der Verknappung betroffen waren, war Tamoxifen für etwa 120.000 Patientinnen nicht mehr verfügbar. Als der Engpass auftrat, gab es im Wesentlichen vier Generikahersteller, die Tamoxifen an Patientinnen in Deutschland lieferten. Ein Hersteller zog sich aus dem Markt zurück, weil die Produktion des Medikaments für ihn nicht mehr wirtschaftlich war.

Für eine Dreimonatspackung Tamoxifen erhält der Generikahersteller 8,82 Euro von den Krankenkassen (unverändert seit 2010). (Preisnachlässe aus Rabattverträgen sind noch nicht abgezogen). Das ist der Preis, der gesetzlich festgelegt ist und nicht erhöht werden kann. Und es ist der Preis, für den ein Hersteller wirtschaftlich produzieren muss. Kaum ein anderes europäisches Land gibt so wenig Geld für dieses Medikament aus. Deshalb gab es vor allem in Deutschland einen Versorgungsengpass.


Wenn nun die Produktionskosten steigen – zum Beispiel, weil ein Lieferant seine Preise um 50 Prozent erhöht oder der Ausfall eines Lieferanten einen kostspieligen Wechsel zu einem neuen Lieferanten notwendig macht – wird dies vom deutschen Gesundheitssystem nicht übernommen. Anders als in anderen Märkten kann der Hersteller die Mehrkosten nicht auf den Preis aufschlagen. Wenn er nicht mit Verlust produzieren will, muss er sich aus dem Angebot zurückziehen.

Nach Ansicht von Experten sind die Arzneimittelpreise in Deutschland falsch verteilt. Generikahersteller sind für fast 80 Prozent der Versorgung verantwortlich und tragen nur etwa acht Prozent der Kosten, die die gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel zahlen. Im Jahr 2011 entfielen auf sie nur 70 Prozent der Versorgung und mehr als 15 Prozent der Kosten. Seitdem hat sich die Schere zwischen Versorgung und Kosten weiter geöffnet.

Der Umgang mit Lieferengpässen ist zum Alltag geworden

Anfang Mai enthielt die vom BfArM überprüfte Liste der Mangelware 268 Produkte. Eine durchschnittliche Apotheke hat etwa 100 nicht vorrätige Artikel auf der Liste. Diese zu verwalten, kostet durchschnittlich zehn Prozent der Arbeitszeit. Denn Lieferengpässe bedeuten meist vor allem eines: Diskussionen mit Patienten, Ärzten, Großhändlern und Krankenkassen. Das eigentliche Problem sind verschmolzene Lieferketten, bei denen ein wichtiger Wirkstoff, der in verschiedenen Generikamarken verwendet wird, nur aus zwei Quellen auf der Welt stammt. Dies macht den Markt anfällig für Unterbrechungen der Lieferkette.

„Das Hauptproblem bei Generika ist, dass die Produktion von Vorprodukten und Endprodukten weltweit immer mehr zusammengelegt wird. Wir haben vielleicht 40 verschiedene Generikamarken für einen Wirkstoff, aber wenn die Hälfte davon aus der gleichen Fabrik kommt oder ein wichtiges Vorprodukt aus nur zwei Quellen auf der Welt stammt, ist der Markt sehr anfällig für Versorgungsprobleme.“

Prof. Dr. re. pole. Wolfgang Greiner

In einem Gutachten von Pro Generika erläutert Dr. Martin Schwarz, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Sarticon, die komplexen Lieferketten von Generika (Grafik 1)

Grafik 1 – Auf der Grundlage der Grafik, die eine beispielhafte Lieferkette darstellt – www.sarticon.com.

und auch die Schwachstellen des Systems (Grafik 2).

Grafik 2 – Auf der Grundlage der Grafik, in der die Schwachstellen des Systems zur Verabreichung von Arzneimitteln dargestellt sind – www.sarticon.com.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei einem Lieferengpass eines marktrelevanten Unternehmens auch die anderen Marktteilnehmer dessen Mengen kompensieren müssen und somit in der Regel ebenfalls Versorgungsprobleme entwickeln. Es dauert in der Regel einige Zeit, bis sich der Markt wieder beruhigt hat, da die Vorlaufzeiten in der Arzneimittelproduktion sehr lang sind. Vier bis neun Monate können hier leicht vergehen, manchmal auch mehr als ein Jahr. Ein Umstand, der bei Tamoxifen eine besonders wichtige Rolle spielt, da die Produktion aufgrund der hormonellen Wirkung umfangreiche Schutzmaßnahmen für die herstellende Belegschaft sowie räumlich getrennte Produktionsbereiche erfordert. Solche Anforderungen sind kurzfristig nicht zu erfüllen.

Anja Fürbach, Market Intelligence Senior Expert

Quellen: