Energieversorgung und -preisentwicklung – Einflüsse und Auswirkungen

Die „German Angst“ geht in Deutschland und Europa um. Insbesondere der deutsche Verbraucher stürzt sich wie schon früher beim Klopapier auf strombasierte Heizgeräte wie Infrarotheizungen, Radiatoren oder auch Holzöfen als gäbe es kein Morgen mehr. Es ist einerseits verständlich, dass man im Winter nicht im Kalten sitzen will, aber viele bedenken dabei nicht, dass gerade die elektrischen Heizstrahler und Warmwasserboiler viel Strom verbrauchen. Und Strom wird wie alle anderen Energieträger immer teurer.

Und dies bringt uns auf das eigentliche Thema – die immer höher werdenden Energiepreise. Eingeläutet durch den Ukraine-Krieg hat die verfehlte Energiepolitik der vergangenen Regierungen Deutschland in starke Bedrängnis gebracht. Die harmonisierte Inflation (nach europäischen Standard berechnet) wird vom Statistischen Bundesamt für den Juli 2022 vorläufig auf 8,5 Prozent beziffert, in der Eurozone erreichte laut Eurostat die Inflation einen Rekordwert von 8,9 Prozent. Und der Haupttreiber dieser Entwicklungen sind die hohen Energiepreise, die sich im Juli um weitere ~40 Prozent verteuert haben gegenüber dem Vormonat, wobei der Anstieg im Vergleich zum Juni sich etwas verlangsamt hat.

Entwicklung der Energiepreise in Deutschland seit Juni 2021 bis Juni 2022

Die enormen Preissteigerungen schon seit Sommer 2021 lässt sich auf die Sorgen hinsichtlich einer sehr angespannten Versorgungslage (z. B. Nord Stream II, Ukraine-Krieg) zurückführen. Ein Ende kann derzeit nicht ausgemacht werden.

Development of energy prices in Germany since June 2021 to June 2022
Source: Statistisches Bundesamt, 2022 (Indices, 2015 = 100)

Die Frage, die wir uns alle stellen, wird die Erdgasversorgung gewährleistet bleiben in den kommenden Monaten oder dreht uns Putin den Hahn zu. Und dies treibt immer weiter die Energiepreise an, an Lösungen für Privathaushalte und die Industrie werden krampfhaft gearbeitet. Die hohe Abhängigkeit in Deutschland von Erdgas in der Industrie (2020 war Erdgas mit 31,2 Prozent der wichtigste Energieträger in der Industrie) und den Privaten Haushalten (2019 wurde 41,2 Prozent der Wohnenergie durch Erdgas gedeckt) macht die Möglichkeiten schnell an neue und ausreichende Energieträger bis zum Winter 2022 zu kommen zunichte.

Flüssiggas-Terminals an Deutschlands Küsten werden plötzlich im Eiltempo genehmigt und teilweise schon gebaut, neue Lieferabkommen geschlossen, erneuerbare Energieträger forciert und über Zwischenlösungen der Kohleverstromung anstatt Erdgas oder die Laufzeitenverlängerung der Atomreaktoren diskutiert. Sparprogramme für Erdgas werden immer lauter und schon jetzt ist zu beobachten, dass weniger verbraucht wird – sowohl von den Privaten Haushalten wie auch der Industrie. In Brüssel wurde Ende Juli ein Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verabschiedet, bei dem die EU-Staaten sich freiwilligen verpflichten den Gasverbrauch zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 mit Maßnahmen ihrer Wahl um 15 Prozent gegenüber ihrem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre zu senken.

Die spanische Regierung ist dazu schon aktiv geworden und verabschiedet in der kommenden Woche ein Maßnahmenpaket zur Energieeinsparung, gültig bis 01.11.2023. Dabei dürfen öffentliche Einrichtungen, Kaufhäuser, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen ihre Klimaanlagen nicht weniger als 27° C abkühlen lassen und im Winter nicht mehr als auf 19° C heizen. Auch die Beleuchtung wird von Schaufenstern, Denkmälern und Büros ab 22 Uhr ausgeschaltet und Türen sollen generell geschlossen gehalten werden. In Deutschland sind Städte und Gemeinden wie auch die Industrie mit Einzelmaßnahmen zur Energieeinsparung ebenfalls aktiv, übergreifende verbindliche Ansätze gibt es aber „noch“ nicht.

Ein deutscher Notfallplan sieht vor, dass Haushalte und kritische Einrichtungen wie Krankenhäuser vorrangig mit Gas versorgt werden, während die Industrie als erstes von Rationierungen betroffen wäre. Dies macht der Industrie stark zu schaffen, jeder versucht seine Relevanz und Wichtigkeit gegenüber der Regierung hervorzuheben, um nicht als erster rationiert zu werden.

Unsere Verwundbarkeit zeigt auch der Fall Uniper, den die deutsche Regierung nun mit finanzieller Unterstützung vor der Insolvenz gerettet hat. Es hat gerade mal zwei Wochen gedauert, bis der erste deutsche Gasimporteur in Schieflage geraten ist. Eine Pleite hätte viele Stadtwerke in Not gebracht, Endkunden hätten nicht mehr mit Gas beliefert werden können.

Problem für Uniper ist die Gesetzeslage in Deutschland, die die Weitergabe von höheren Preisen an Verbraucher reglementiert. Dadurch konnte Uniper die Kosten nicht an die Stadtwerke weitergeben und stand vor einer finanziellen Schieflage. Die Regierung hat diese Situation mit ihrem Eingreifen entschärft, die Kosten werden aber irgendwann doch an die Stadtwerke und somit die Endverbraucher weitergereicht werden. Ein Ende der Preissteigerung ist damit noch nicht erreicht.

Es ist davon auszugehen, dass der Trend der Energiepreissteigerung noch dieses Jahr anhalten wird, vermutlich wird erst Anfang des Winters absehbar sein, ob die Unsicherheiten bestehen bleiben und weitere Preissteigerungen zu erwarten sind. Mittelfristig müssen wir in Deutschland und Europa unsere Energieversorgung auf komplett neue Füße stellen, was einerseits zu insgesamt höheren Kosten für Haushalte und Industrie führt, mit denen wir leben werden müssen, aber auch neue Investitionen unterstützt, die z.B. der heimischen Wind- und Solarindustrie längerfristig neuen Auftrieb geben kann.

Silke Hänisch, Market Intelligence Senior Expert

Quellen: