Verdrängen nachhaltige Energiespeicher Lithium-Ionen-Batterien?
Angesichts der wachsenden Besorgnis in der EU über den Einfluss Chinas im Bereich der erneuerbaren Energien werden die Staats- und Regierungschefs davor gewarnt, sich zu sehr von chinesischen Lithium-Ionen-Batterien abhängig zu machen. Da die EU bis 2050 Netto-Null-Emissionen anstrebt, wird sie sich zunehmend auf volatile erneuerbare Energiequellen verlassen müssen. Dies wird den Bedarf an Energiespeicherkapazitäten stark erhöhen.
Die Gruppe der sieben wichtigsten Industrieländer (G7) will nun die weltweite Stromspeicherkapazität bis 2030 um das 6,5-Fache erhöhen. Das geht aus dem Entwurf einer gemeinsamen Erklärung der Energieminister zur Förderung erneuerbarer Energien hervor. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft stehen vor der Aufgabe, dies erfolgreich umzusetzen.
Eine stabile Energieversorgung muss jederzeit gewährleistet sein. Europa baut Wind- und Solarparks aus, gleichzeitig fehlen Netzkapazitäten, um den Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird. Es entstehen negative Strompreise in Situationen, in denen das Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien die Nachfrage deutlich übersteigt. Durch Großspeicher kann die Verfügbarkeit von Strom aus Zeiten mit Stromüberschuss in Zeiten mit einem Strommangel verschoben werden und Abregelungen, insbesondere von Windparks, vermieden werden.
Lithium-Ionen-Batterien gelten aufgrund ihrer hohen Energiedichte seit langem als marktführende Energiespeichertechnologie. Sie sind jedoch eher Leistungsspeicher als Langzeit-Kapazitätsspeicher. Lithium-Ionen-Batterien können in der Regel nicht viel länger als acht Stunden Energie speichern. Das zukünftige System der erneuerbaren Energien wird starken Schwankungen unterworfen sein. Keine der Speichertechnologien kann hier allein überzeugen. Daher ist ein Technologiemix erforderlich.
Langzeit-Energiespeicher gewinnen an Bedeutung
Laut BloombergNEF werden Lithium-Ionen-Batterien ihre Marktführerschaft bei der Energiespeicherung an neuere Technologien verlieren, von denen einige bereits preislich wettbewerbsfähig sind. So liegen die durchschnittlichen Investitionskosten für thermische Energiespeicher und Druckluftspeicher bei 232 USD/kWh bzw. 293 USD/kWh. Lithium-Ionen-Batterien liegen dagegen bei 304 USD/kWh für Systeme mit einer Laufzeit von vier Stunden.
BloombergNEF stellt jedoch fest, dass die Kosten für LDES in diesem Jahrzehnt wahrscheinlich nicht so schnell sinken werden wie die Kosten für Lithium-Ionen-Batterien. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Lithium-Ionen-Batterien sowohl im Transport- als auch im Energiesektor weit verbreitet sind und diese Skalierungseffekte die Kosten der Technologie nach unten drücken werden.
In Europa haben LDES aus verschiedenen Gründen bessere Wettbewerbschancen. Dazu gehören Kostenabwägungen, aber auch Fragen der Energiesicherheit. Es wird auf Technologien gesetzt, die nicht von Lithium und China abhängig sind. Hinzu kommt, dass Lithium nicht per se nachhaltig ist. Betrachtet man die gesamte Wertschöpfungskette, so haben die Methoden zur Gewinnung und Verarbeitung von Lithium nicht unerhebliche ökologische und auch soziale Auswirkungen. Außerdem können sich Lithium-Batterien gelegentlich entzünden. Auch aus Sicherheitsbedenken suchen große Energieversorger nach Energiespeichersystemen, die jahrzehntelang ohne das Risiko eines „gefährlichen Ereignisses“ betrieben werden können.
Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im August 2023
Ein starker Ausbau von Stromspeichern könnte den Investitionsdruck auf teure Gaskraftwerke deutlich verringern und einen erheblichen Mehrwert für Klimaschutz und Volkswirtschaft bieten, wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen. Dies zeigt eine Studie, die die Unternehmen BayWa r.e., ECO STOR, enspired, Fluence und Kyon Energy bei Frontier Economics in Auftrag gegeben haben. Die Hauptgründe liegen auf der Hand: die Einsparung von fossilem Gas und die Vermeidung von CO2 und entsprechenden CO2-Kosten. Hinzu kommen die Vermarktungsmöglichkeiten der Speicher und die Bereitstellung von Systemdienstleistungen. Mit Energiespeichern können bestehende Netze besser ausgelastet werden und der zukünftige Netzausbau deutlich gesenkt werden.
Wir hätten in Deutschland längst auf Pumpspeicherkraftwerke setzen müssen. Doch seit 2003 ist kein neues mehr ans Netz gegangen. Pumpspeicher und Wasserstoffspeicher eignen sich gut für die Speicherung von Energie über sehr lange Zeiträume, erfordern aber einen enormen zeit- und kostenintensiven Ausbau. Es gibt weitere LDES-Technologien wie Thermische Energiespeicher, Druckluftspeicher oder Redox-Flow-Batterien. Während wir bei den LDES-Technologien noch am Anfang der Kommerzialisierung stehen, entwickelt China dank günstiger politischer Rahmenbedingungen auch hier bereits Projekte im Gigawattstundenmaßstab.
Neue Techniken, die an Pumpspeicherwerke angelehnt sind
Interessant sind neue, nachhaltige Denkansätze, die weltweit von Start-up-Unternehmen vorangetrieben werden. Langlebige Systeme, die ohne fossile Brennstoffe und Chemikalien auskommen und relativ flexibel in der Standortwahl sind.
- Das Energiespeichersystem des Energy Vault® basiert auf der Speicherung und Freisetzung von Energie nach dem Schwerkraftprinzip, wie es von Pumpspeichern bekannt ist. Das System besteht aus einem hohen Turm, der aus einer Reihe modularer Betonblöcke aufgebaut ist. Diese Blöcke werden mit überschüssiger Energie angehoben und gestapelt, wodurch potenzielle Energie gespeichert wird. Wenn Energie benötigt wird, werden die Betonblöcke durch die Schwerkraft nach unten gelassen. Dabei treiben sie Generatoren an, die die potenzielle Energie wieder in elektrische Energie umwandeln. Gesteuert wird das Ganze über eine spezielle Software. In der chinesischen Provinz Jiangsu soll bereits 2024 ein solches Speichersystem mit 25 Megawatt / 100 Megawattstunden in Betrieb gehen. Nach der Anfangsinvestition für Bau und Installation sind die Betriebskosten relativ gering und es fallen keine Kosten für chemische Materialien oder aufwendige Recyclingprozesse an.
- Eine andere Idee kommt von RheEnergise. RheEnergise verwendet eine spezielle Flüssigkeit, die etwa zweieinhalbmal dichter als Wasser ist. Das System besteht aus zwei Reservoirs, einem oberen und einem unteren, die durch Rohrleitungen miteinander verbunden sind. Wie bei einem Pumpspeicherkraftwerk wird auch hier das Schwerkraftprinzip genutzt. Aufgrund der höheren Dichte der verwendeten Flüssigkeit kann das System mehr Energie pro Volumeneinheit speichern als Wasser. Die höhere Dichte der Flüssigkeit ermöglicht auch den Betrieb mit geringeren Höhenunterschieden zwischen den Reservoirs, was die Standortwahl zusätzlich erleichtert. Das System hat einen geringeren ökologischen Fußabdruck und kann ohne größere Eingriffe in die natürliche Landschaft integriert werden.
- Das Energiespeichersystem von Hydrostor basiert auf der Technologie der Druckluftspeicherung. Das kanadische Start-up-Unternehmen nutzt überschüssige elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen, um Luft in unterirdischen Kavernen oder angelegten Reservoirs zu komprimieren. Bei der Kompression verdrängt die Druckluft in den Kavernen Wasser, das in ein separates Reservoir gepumpt wird. Bei Energiebedarf wird die Druckluft aus den unterirdischen Kavernen abgelassen. Die freigesetzte Luft wird durch eine Turbine geleitet, die die kinetische Energie der expandierenden Luft in elektrische Energie umwandelt. Das während der Energiespeicherung verdrängte Wasser strömt beim Ablassen der Druckluft in die Kavernen zurück, wodurch sich der Kreislauf schließt. Hydrostor hat das traditionelle CAES-System (Compressed Air Energy Storage) durch die Integration der Wasserverdrängung und den Einsatz moderner Technologien zur Effizienzsteigerung verbessert.
- Das Energiespeichersystem von Rondo Energy speichert Energie in Form von Wärme anstelle von elektrischer Energie. Diese Wärme wird in speziellen, hochtemperaturbeständigen Materialien wie z. B. Ziegelsteinen gespeichert. Überschüssige Energie aus Wind- oder Sonnenkraft wird genutzt, um die Speichermaterialien auf hohe Temperaturen von bis zu mehreren hundert Grad Celsius zu erhitzen. Wird Energie benötigt, kann die gespeicherte Wärme je nach Anwendung unterschiedlich genutzt werden. Die Wärme kann direkt in industrielle Prozesse eingespeist werden, die hohe Temperaturen erfordern. Alternativ kann mit der Wärme Dampf erzeugt werden, der Turbinen antreibt und so wieder in elektrische Energie umgewandelt wird. Das System hat einen hohen Wirkungsgrad, da elektrische Energie direkt in Wärme umgewandelt und gespeichert wird. Die Wärmeverluste sind minimal und die Speichermaterialien haben eine lange Lebensdauer. Die Technologie kann für verschiedene Anwendungen skaliert werden, von kleinen industriellen Prozessen bis hin zu großen Kraftwerken.
- Ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte ebenfalls ein neuartiges Energiespeichersystem. Es nutzt eine innovative Kombination aus Superkondensatoren und Kohlenstoffzement. Die elektrische Energie wird in einem elektrischen Feld gespeichert. Ein Elektrolyt zwischen zwei Schichten aus Kohlenstoffzement speichert die Energie. Beim Laden sammeln sich Ionen im Elektrolyten an den Elektroden und erzeugen ein elektrisches Feld. Beim Entladen fließen die Ionen zurück und die gespeicherte Energie wird freigesetzt. Da das Material so stark ist, könnte es als Teil des Betonfundaments von Gebäuden verwendet werden. Ein 3,5 Meter breiter Block des Materials könnte etwa 10 kWh Energie speichern, was dem durchschnittlichen täglichen Stromverbrauch eines Haushalts entspricht.
- Das Treepower-Energiespeichersystem von Northvolt ist ein innovatives Konzept, das Biomasse und andere organische Energiespeichermaterialien aus nachhaltigen Quellen nutzt. Aus diesen Materialien werden Elektroden und andere Komponenten für Batterien hergestellt. Diese Zellen haben ähnliche Eigenschaften wie herkömmliche Batterien, aber einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Die Verwendung von Biomasse und organischen Materialien verringert die Abhängigkeit von seltenen und umweltschädlichen Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt.
Die weitere Entwicklung und Erprobung dieser nachhaltigen Speicherkonzepte wird entscheidend sein, um die Technologien zu optimieren und ihre Marktakzeptanz zu erhöhen. Die Vorteile dieser Systeme liegen auf der Hand: Wenn sie funktionieren, könnten sie Lithium-Ionen-Batterien in vielen Bereichen den Rang ablaufen. Die Bundesregierung setzt verstärkt auf Gaskraftwerke und Wasserstoff als Energiespeicher.
Es wird sich zeigen, welche Energiespeichertechnologien sich letztlich durchsetzen werden.
Doris Höflich, Market Intelligence Senior Expert
Quellen:
- Fachzeitschrift Recharge
- PV Magazin
- BloombergNEF Research
- Frontier Economics