Wärme aus dem Wasser
Wasserwärmepumpen: Wie Flüsse, Seen und Meere die Wärmewende voranbringen

Während bei der Stromerzeugung bereits erhebliche Fortschritte beim Einsatz erneuerbarer Energien erzielt wurden, hinkt der Wärmesektor hinterher. Die Mehrzahl der Gebäude in Europa wird nach wie vor mit fossilen Brennstoffen wie Erdgas oder Heizöl beheizt. Ohne eine Wärmewende gibt es keine erfolgreiche Klimawende. Um die Klimaziele zu erreichen, rückt die klimaneutrale Wärmeversorgung zunehmend in den Mittelpunkt – bis spätestens 2045 soll sie erreicht sein.
Neben einer politischen Entschlossenheit bedarf es innovativer technologischer Lösungen, die ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich tragfähig sind. Zu diesen Lösungen gehören Großwärmepumpen. Eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey schätzt den Gesamtmarkt für Großwärmepumpen bis 2030 auf mehr als 43 Milliarden Euro. Als groß gelten Wärmepumpen, wenn sie eine Leistung von über 100 kW erreichen. Insbesondere Großwärmepumpen für Fernwärmenetze eröffnen dabei neue Möglichkeiten für die nachhaltige Wärmeversorgung urbaner Räume und industrieller Infrastrukturen.
Wärmepumpen nutzen hauptsächlich Umweltwärme aus dem Erdreich, der Luft oder dem Grundwasser, um Gebäude zu heizen. Die Wärmequelle Oberflächengewässer wird bisher noch zu wenig genutzt. Großwärmepumpen, die Meereswasser oder Flusswasser als Wärmequelle nutzen, können jedoch zu einem vielversprechenden Baustein der Wärmewende werden.
Thermische Energie aus Oberflächengewässern nutzen
Wärmepumpen, die natürliche Gewässer als Wärmequelle nutzen, arbeiten nach dem gleichen physikalischen Prinzip, wie man es vom Kühlschrank kennt – nur im großtechnischen Maßstab. Meeres-, See- oder Flusswasser dient dabei als niedertemperierte Umweltwärmequelle.
Im Vergleich zur Umgebungsluft als Wärmequelle, besitzt Wasser eine etwa viermal höhere spezifische Wärmekapazität. Bei gleichem Massenstrom und gleicher Abkühlung kann eine Flusswärmepumpe somit eine viermal höhere Heizleistung erzielen. Selbst im Winter ermöglichen die gleichmäßigeren Temperaturen von Wasserquellen eine effizientere und stabilere Wärmegewinnung. Auch bei Wassertemperaturen von nur 2–15 °C lässt sich mit Wärmepumpen effizient Wärme aus Wasser gewinnen.
Dies geschieht mithilfe eines geschlossenen Kältemittelkreislaufs, eines Verdichters und eines Wärmetauschers. Das Wasser wird in den Wärmetauscher geleitet, wo die Wärme auf ein Kältemittel übertragen wird, welches anschließend in der Wärmepumpe verdampft und komprimiert wird. Die dabei entstehende höhere Temperatur wird in das Heizsystem eingespeist, wodurch das Kältemittel abkühlt und der Kreislauf erneut beginnt.

Europäische Projekte für Wasserwärmepumpen
Viele europäische Hafen- und Küstenstädte verfügen über gut ausgebaute Fernwärmenetze, in die Großwärmepumpen effizient integriert werden können.
Hafen- und Küstenstädte:
- Oslo: Großwärmepumpenanlage im Oslofjord, über 100 MW thermische Leistung.
- Stockholm: Värtan-Wärmepumpe mit über 180 MW thermischer Leistung aus Meerwasser.
- Marseille: „Thassalia“-Projekt: Marine Geothermieanlage für Wärme und Kälte aus dem Mittelmeer.
- Kopenhagen: Integration von Meerwasser-Wärmepumpen bis 2025 als Teil der Klimaneutralitätsstrategie.
- Esbjerg (Dänemark): Größte Meerwasser-Wärmepumpe weltweit, zwei Anlagen mit 70 MW Heizleistung für 25.000 Haushalte, spart rund 120.000 t CO₂ pro Jahr und ersetzt ein Kohlekraftwerk.
Flüsse und Seen:
- Zürich: Flusswasser aus der Limmat wird über Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) zur Wärmeversorgung ganzer Stadtteile genutzt.
- Basel: Rheinwasser-Wärmepumpe der Industriellen Werke Basel (IWB) für Wohngebiete.
- Lyon: Projekt „Énergie des Fleuves“ nutzt Rhône-Wasser für öffentliche und private Gebäude.
- Wien: Untersuchung der Donau-Nutzung für zukünftige Wärmestrategien.
- Mannheim: Integration einer Großwärmepumpe in das Fernwärmenetz durch MVV Energie AG.
- Köln: Geplante größte Flusswasser-Wärmepumpe Europas für 50.000 Haushalte, 100.000 t CO₂-Einsparung jährlich, Nutztemperatur: 110 °C, Wirkungsgrad: 1 kWh Strom → 3 kWh Heizwärme.
Abwasser-Projekte:
- Hamburg: Geplante Abwasser-Wärmepumpe mit 60 MW Leistung für 39.000 Haushalte, Abwasser-Temperatur: 12–22 °C.

Herausforderungen für Wasserwärmepumpen
Trotz der vielen Vorteile sind bei der Nutzung von Wasserwärmepumpen einige Herausforderungen zu beachten.
Technische Anforderungen:
Meerwasser ist aufgrund seines Salzgehalts besonders korrosiv. Daher müssen alle eingesetzten Materialien und Anlagenkomponenten entsprechend geschützt werden.
Hohe Investitionskosten:
Die Erschließung von Wasserquellen, der Bau von Wärmetauschern und Leitungen sowie der Betrieb der Anlagen sind kostenintensiv. Wirtschaftliche Rentabilität wird meist erst über langfristige Betriebszeiträume erreicht.
Genehmigungsprozesse und Umweltauflagen:
Gerade in urbanen Gebieten sind Genehmigungen oft komplex und langwierig. Umweltauflagen, wie der Schutz von Flora und Fauna, stellen zusätzliche Herausforderungen dar.
Betriebsbedingte Wartung:
Wärmetauscher müssen abhängig von der Wasserqualität regelmäßig gereinigt werden, um die Effizienz der Anlage aufrechtzuerhalten.
Temperaturmanagement:
Das rückgeführte Wasser darf keine negativen Auswirkungen auf die Temperaturbilanz des Gewässers haben und muss entsprechend geregelt werden.

Potenziale der Wasserwärmepumpentechnologie
Wasserwärmepumpen nutzen rund zwei Drittel der benötigten Energie direkt aus der Umwelt. Nur ein Drittel der erzeugten Wärmemenge muss durch Strom, idealerweise aus erneuerbaren Quellen, zugeführt werden. So kann klimaneutrale Wärmeversorgung auf lokaler Ebene Wirklichkeit werden. Untersuchungen zeigen, dass theoretisch bis zu 25 Prozent des europäischen Wärmebedarfs durch Großwärmepumpen gedeckt werden könnten.
Besonders Wasserwärmepumpen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie unabhängig von Tageszeit und Wetter arbeiten und eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten. Meer-, See- und Flusswasser-Wärmepumpen ermöglichen es, lokal verfügbare und bisher oft ungenutzte Wärmequellen in das städtische Energiesystem zu integrieren.
Dabei punkten sie mit ihrer wetter- und tageszeitunabhängigen Betriebsweise sowie ihrer hohen Versorgungssicherheit. Besonders in Kombination mit bestehenden Fernwärmenetzen, Speicherlösungen oder erneuerbarem Strom aus Wind und Sonne entstehen intelligente, klimafreundliche Wärmelösungen.
Wasserwärmepumpen können nicht nur zur Klimaneutralität beitragen, sondern auch bis zu einem gewissen Grad ökologische Resilienz fördern. In Zeiten zunehmender Hitzewellen, die den Sauerstoffgehalt in Flüssen reduzieren und Fischbestände bedrohen, könnte ein gezielter Wärmeentzug aus dem Wasser eine stabilisierende Wirkung auf das Ökosystem haben.
Fazit: Wasserwärmepumpen als Schlüsseltechnologie der Wärmewende
Das ist ein Thema, das viele überrascht: Wie kann aus scheinbar „kaltem“ Wasser mit vielleicht nur 10 °C noch Wärme gewonnen werden, die für ein Fernwärmenetz nützlich ist? Die Antwort liegt in der Wärmepumpentechnologie und im Prinzip der relativen Temperaturunterschiede.
See- und Flusswasser-Wärmepumpen sind längst keine theoretische Vision mehr. Sie sind praxiserprobt und umweltfreundlich. Angesichts wachsender Städte, steigender Energiepreise und ambitionierter Klimaziele sind sie ein wichtiger Baustein der Wärmewende.

Doris Höflich, Market Intelligence Senior Expert
Quellen:
- Bundesverband Wärmepumpe (BWP)
- ingenieur.de
- VDI
- Utopia